Edmund Richardson: Alexandria - Auf der Suche nach der verlorenen Stadt (Buch)

Edmund Richardson
Alexandria - Auf der Suche nach der verlorenen Stadt
(Alexandria: The Quest for the Lost City, 2024)
Übersetzung: Kathrin Lichtenberg
Midas, 2024, Hardcover, 352 Seiten, 24,00 EUR

Rezension von Christel Scheja

Alexander schuf mit seinen Eroberungszügen nicht nur das erste Weltreich der Geschichte, er gründete dabei auch immer wieder Städte, die seinen Namen trugen. Allerdings hatten diese wie sein Imperium teilweise nicht lange Bestand und die Kenntnis über ihre Lage ging schnell verloren. Als dann im 19. Jahrhundert das Interesse an der Antike und ihren Schätzen erwachte, machten sich Abenteurer und Archäologen auf die Suche nach diesen legendären Orten, wie etwa Charles Masson, von dem Edmund Richardson in „Alexandria - Auf der Suche nach der verlorenen Stadt“ erzählt.


Der Mann, der eigentlich James Lewis heißt, ging als junger Mann nach Ostindien, um dort für Ruhm und Ehre und Gold zu kämpfen, wurde aber recht schnell desillusioniert und desertierte.

Er nahm einen anderen Namen an und wurde zum Pilger, Geschichten-Erzähler, zum Arzt und dann zum Archäologen, weil er durch seine Wanderungen und den engen Kontakt mit den Einheimischen sehr viel Wissen über Afghanistan erlangte. Weil er auch mit Königen und Fürsten gut auskam, rekrutierte man ihn sogar als Spion.

Seine Leidenschaft wurde schnell die Suche nach den Schätzen der Vergangenheit, in der die schillernde Geschichte des Landes zu entdecken war, die zu diesem Zeitpunkt ein Spielball zwischen England, Russland und allerlei Potentaten war, so dass sich Machtverhältnisse und Interessen der Herrscher innerhalb von Tagen umkehren konnten.


Das ist es aber auch was, die Biographie ausmacht - weniger die Beschreibung unzähliger Ausgrabungen und ihrer Funde. Denn Edmund Richardson konzentrierte sich eher auf den Mann, der nach den Schätzen suchte. Immerhin war er nur ein einfacher Arbeiterjunge aus London, ein einfacher Soldat, aber auch in der Lage, sich schnell anzupassen und sich das notwendige Wissen anzueignen, um auch in Verkleidung nicht aufzufallen und seine Spuren zu verwischen. Dennoch war er natürlich auch immer wieder vom Wohlwollen derer abhängig, die dazu bereit waren, seine Leidenschaft zu finanzieren, wenn auch meistens verbunden mit den entsprechenden Gegenleistungen.

Die Biographie wirft auch einen Blick auf die damalige politische und wirtschaftliche Lage, denn mit England und Russland stritten sich zwei mächtige westlich geprägte Reiche um das wohlhabende Land. Und die Ostindienkompanie hatte natürlich auch noch großes Interesse daran, möglichst viele Schätze an sich zu bringen und Handelsmonopole zu bewahren. Dadurch kommen auch die unschönen Seiten ihrer Politik zum Tragen, angefangen mit dem Ausspielen lokaler Fürsten gegeneinander bis hin zu drastischen Strafen für die einheimischen Hilfstruppen.

Durch die Reisen von Charles Masson erfährt der Leser aber auch, wie es unter der einfachen Bevölkerung aussah und was westliche Abenteurer, die bereit waren, sich unter diese zu mischen, alles erleben konnten. Und nicht zuletzt werden auch die Entdeckungen Massons gewürdigt.
Heraus kommt ein interessantes Panorama einer Zeit an einem Ort, das viele Deutsche so nicht auf dem Schirm haben, denn interessant und spannend ist weniger der Weg der Figur als all die Entwicklungen, die er hautnah und zu spüren bekam - all die dunklen Seiten, des damals erstarkenden Kolonialismus, der selbst vor solch entlegenen Regionen nicht haltmachte. Heute wissen die Wenigsten etwas darüber, denn es gibt nur wenige Filme und Bücher wie „Der Mann, der König sein wollte“, die diese Epoche beleuchten.

„Alexandria - Auf der Suche nach der verlorenen Stadt“ sei daher allen Lesern empfohlen, die eine etwas andere Biographie eines Mannes lesen wollen, der eine Besessenheit zu seinem Beruf machte und dabei eine höchst bewegte Epoche in der Geschichte Afghanistans am eigenen Leib miterlebte - mit all den dunklen Ausprägungen des erstarkenden Kolonialismus.