Jerzy Kosinski: Schritte - Grausame Szenen (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Freitag, 13. Dezember 2024 11:05
Jerzy Kosinski
Schritte - Grausame Szenen
(Steps, 1968)
Übersetzung: Sven-Erich Wehmeyer
Titelbild: Veselin Rangelov
Festa, 2024, Hardcover, 172 Seiten, 22,99 EUR
Rezension von Carsten Kuhr
Wenn der Verlag, der seine Werke unter das Motto „Wenn lesen zur Mutprobe wird...“ stellt, ein neues Buch seiner „Must Read“-Reihe veröffentlicht, dann erwartet uns in aller Regel ein voluminöses Werk. Anders vorliegend.
Was hier angeboten wird, das sprengt die bisherige Verlagspraxis. Statt eines Romans, der sich mehr oder minder erfolgreich bemüht, Angst einzuflößen, in fremde, unheimliche Gestade zu entführen oder mit jeder Menge Blut und Gewalt zu schocken, erwarten uns hier unzusammenhängende Skizzen.
Kosinski greift hier durchaus aufrührende Themata auf: Da wird eine Entführung, wohl mit anschließendem Missbrauch, von einer jungen Frau angedeutet, geht es um einen Mann, der mittellos und damit hilflos auf einer Insel gestrandet ist und Hilfe bei Touristinnen sucht, die wiederum…
Oder wir lernen einen Ski-Lehrer kennen, der sich im Sanatorium an eine dort kurende Todkranke heranmacht und sein Vergnügen sucht, ohne jegliche Rücksicht auf deren Zustand zu nehmen, Soldaten wettstreiten, wer selbst zugefügte Genital-Schmerzen am längsten aushält…
Es sind kurze, schlaglichtartige Texte, die viel andeuten, wenig wirklich plakativ zeigen. Immer ist die Leserin respektive der Leser gefordert, mit und dann - ab einem gewissen Punkt - weiter zu denken, sich vorzustellen, wie das Geschehen dann weitergehen könnte… und seiner morbiden Phantasie freien Lauf zu lassen.
Oft sind es dabei haltlose, verängstigte Einzelgänger, die im Mittelpunkt stehen, Menschen, die dabei, sind etwas Unerlaubtes, etwas Verpöntes, etwas Unmenschliches zu tun, und die wir bei der Vorbereitung zu ihrer Tat beobachten. Nie wird das angerissene Motiv wirklich ausgewalzt, immer darf, nein muss der Rezipient ihr oder sein eigenes Kopfkino einschalten, um die angerissene Ausgangslage dann fortzusetzen. Das ist anstrengend aber auch bereichernd, einfach, weil nichts uns so sehr Angst einflößen kann wie unser eigenes Denken, unsere Vorstellung.
„Schritte - Grausame Szenen“ ist keine einfache Lektüre, aber ein Werk, das verstört und das stilistisch toll geschrieben ist.