Florian Schäfer & Elif Siebenpfeiffer: Verborgene Fabelwesen der Meere - Die zweite sagenhafte Expedition des Konstantin O. Boldt (Buch)

Florian Schäfer & Elif Siebenpfeiffer
Verborgene Fabelwesen der Meere - Die zweite sagenhafte Expedition des Konstantin O. Boldt
arsEdition, 2024, Hardcover, 208 Seiten, 32,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Wir schrieben das Jahr 1865. Nach meiner viel beachteten Letho-Expedition war ich gerade eigentlich dabei, ein Refugium für magische Wesen aufzubauen, als mich der Ruf des Vaterlandes erreichte. Niemand geringerer als Otto von Bismarck verpflichtete mich als Experte für die Erforschung magischer Wesen, die „Operation Bathys“ zu begleiten - eine Expedition die, anders als in den meisten Geschichtsbüchern vermerkt, als erste den Grund des Nord-Atlantiks erreichte. Nun, im Frühjahr des Jahres 1911, wurde die Geheimhaltung aufgehoben, die kritische Aufarbeitung der damaligen Geschehnisse kann somit beginnen - endlich, bin ich geneigt zu sagen.

Es galt, „in die Tiefen des Ozeans vorzudringen und die Ursache für die zunehmende Aktivität und den Ursprung der Meeresungeheuer zu ermitteln“ - und genau das machten wir. Vorhang auf für unser Reisegefährt; die „Nautilus“. Statt Nemo erwartete uns Cyrus Smith, der trotz seiner Behinderung mit seiner Crew dieses Wunderwerk der Technik steuerte.

So brachen wir von Venedig aus auf, durch die Straße von Gibraltar gen Norden; auf unserem Weg begegneten uns unterirdische Bauten, Nixen, Meermänner, Riesenkraken und Widergänger an Bord von Totenschiffen - bis wir dann von Verrat und Liebe abrupt in unserer Forschung gestoppt wurden…


Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass mir der erste Band der Tagebuch-Reminiszenzen Konstantin O. Boldts „Fast verschwundene Fabelwesen“ bislang entgangen ist. Umso mehr Interesse entfachte vorliegendes, in einem übergroßen Format vorgelegtes Werk bei mir. Auf hochwertigem Kunstdruckpapier gedruckt, mit Lesebändchen und reich geprägtem Deckel, erwartet ein Buch den Leser, das auch optisch ein Augenschmaus ist.

Schon vor dem Beginn der Lektüre blätterte ich durch die Seiten - die uns in unzähligen farbigen Illustrationen, fiktiven Steckbriefen, Zeitungsausschnitten und Extrakten aus Atlanten und Nachschlagewerken eine fremde Welt vorstellen. Es geht, natürlich begleitet durch den Tatzelwurm Archibald, in die Tiefen der Meere, in der gänzlich unbekannte Zivilisationen existieren, in denen Herrscher über das Wohl und Wehe ihrer Untertanen, aber auch der verhassten Landbewohner entscheiden. Auf der einen Seite des sich abzeichnenden, nein des sich anbahnenden Konflikts, die technisch hochgerüsteten Eisenschiffe des Kaisers, ihnen gegenüber Riesenkraken und Meerwesen, der phantastischen Art.

Verfasser Florian Schäfer studierte Biologie und Naturschutz und sorgt nicht nur für Spannung, Dramatik und ein wenig Leid: Er bricht auch eine Lanze für die Art-Erhaltung der uns unbekannten Lebewesen - seien sie erfunden aber noch mehr real.

Geschickt greift er hier auf mythische Tiefseewesen der nordischen Mythologien zurück, ergänzt diese durch Wesen aus bekannten und unbekannten Märchen und verleiht dem Roman durch seine intime Art des Erzählens viel Flair und Charme. Natürlich verneigt er sich mit der „Nautilus“ vor Jules Verne, kopiert diese aber nicht einfach, sondern lässt ein eigenes faszinierendes Gefährt die Tiefen der Meere erkunden.

Hinzu kommen die toll passenden Zeichnungen von Elif Siebenpfeiffer die die mystischen Figuren wunderbar optisch umsetzt.

Auch wenn man gemeinhin sagt, dass der Weg das Ziel ist, störte mich die Gewichtung innerhalb des Plots ein wenig. Die Fahrt der „Nautilus“ von Venedig über die Straße von Gibraltar bis in die Nordsee nimmt den größten Teil des Buches ein, die Begegnung mit den Herrschern der Tiefe kommt, damit verglichen, zu kurz. Was wird hier nicht angedeutet: riesige unterseeische Städte, Kulturen und magische Errungenschaften, über die wir dann bedauerlicherweise nicht wirklich viel erfahren. Hier hätte ich mir mehr „Butter bei die Fische“ gewünscht. Das soll ausdrücklich nicht heißen, dass der Roman nicht spannend und faszinierend sei. Selbst fürs Herz gibt es einen kleinen Exkurs - doch ich war und bin einfach neugierig auf die unterseeische Welt, die nur angedeutet wird.

So bleibt mir das Fazit, dass uns arsEdition einmal mehr ein ganz besonderes bibliophil gestaltetes Buch kredenzt. Ein Werk, das optisch detailreich und umwerfend ausgestattet die unheimliche Unterwasserwelt zum Leben erweckt, das spannend unterhält, aber auch Fragen und Ansätze offen lässt - wobei eine Fortsetzung wohl angedacht ist.