Oscar Wilde: Das Bildnis des Dorian Gray (Buch)

Oscar Wilde
Das Bildnis des Dorian Gray
(The Picure of Dorian Gray, 1890)
Übersetzung: Meike Breitkreutz
Titelbild und Innenillustrationen: Marcin Minor
arsEdition, 2023, Hardcover, 304 Seiten, 28,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Wer kennt sie nicht, die schaurig-traurige Geschichte des Dandys Dorian Gray?


Der Künstler Basil Hallward macht, während er ein Bildnis seines Modells schafft, den jungen Mann mit Lord Henry Wotton bekannt. Im anschließenden Gespräch geht es um die Kunst, um die Leidenschaft, die Romantik und die Vollkommenheit des Modells, die das Werk einschließen soll. Dorian Gray sieht in seinem von Basil geschaffenen Porträt erstmals seine eigene aktuelle Schönheit.

Die Begegnung mit dem zynischen Lord Henry erweist sich als verhängnisvoll, übernimmt der junge Mann doch Lord Henrys Auffassung, dass Vergnügen, sinnliche Genüsse und Schönheit die einzig wichtigen Dinge im Leben seien. Folglich muss man alles tun, um Altern und Verfall aufzuhalten.

Von dieser Philosophie geprägt, halluziniert er den Verfall seiner Schönheit, wünscht sich nichts sehnlicher, als dass das Bildnis an seiner Stelle altern solle.

Dieser Wunsch erfüllt sich: Dorian lebt sein ausschweifendes Leben bis zum Exzess, das Bildnis zeigt die Folgen und altert für ihn.

Nachdem seine Liebste sich aus Liebeskummer das Leben nimmt, beginnt Dorian seine Taten zu hinterfragen. Ist seine hedonistische Art zu Leben, wirklich erstrebenswert, entfernt er sich damit nicht immer weiter von dem, was ihn als Menschen ausmacht?

Schuldgefühle bringen ihn dazu, das Bildnis zu zerstören - mit drastischen Folgen für seine Existenz…


Oskar Wilde vertrat die Auffassung, „L'art pour l'art“ - Kunst muss keinen moralischen oder didaktischen Zweck erfüllen, sie existiere um ihrer selbst willen.

In vorliegendem Roman verkörpert unser Protagonist Dorian diesen Gedanken, indem er seine Schönheit und sein Vergnügen über alles stellt. Allerdings relativiert Wilde diese Auffassung insoweit, als er seine Hauptfigur dann an dieser Lebensweise zugrundegehen lässt.

Hintergrund bleibt die Frage, ob ein Leben ohne moralischen Kompass überhaupt erstrebenswert ist. Gerade im Gegensatz zu dem von Lord Henry propagierten Hedonismus, sein Vergnügen ohne Rücksicht auf Konsequenzen über alles zu stellen, behandelt der Autor hier eine wahrlich zeitlose Frage.

Die äußere Erscheinung, die Suche nach dem ultimativen Vergnügen auch auf Kosten anderer auf der einen Seite, auf der anderen die Folgen für die inneren Werte; die Leere, die nur notdürftig übertüncht wird, die Dorian aber unausweichlich aus seinem Porträt entgegenblickt. Welcher Weg ist der richtige? Letztlich scheitert der Protagonist an dieser existenziellen Frage.

Diese zutiefst philosophisch ausgerichtete Frage hat Wilde in einem durchaus vergnüglich zu lesenden Roman verpackt. Spritzige Dialoge, scharfsinnige Auseinandersetzungen und Gedanken machen die Lektüre zum Selbstläufer.

Wie bei den anderen in der Reihe „Bibliotheka Obscura“ publizierten Romanen, kennen wir den Text bereits aus vielen anderen Veröffentlichungen.

Vorliegende Edition zeichnet sich einmal mehr durch eine neue Facette aus: Die grafische Umsetzung durch Marcin Minor verleiht dem bekannten Text eine neue Dimension.

Wie wir dies von den anderen Titeln der wohlfeilen Reihe bereits kennen, sind manche Seiten komplett eingefärbt, dann wieder tauchen inhaltliche Nebensächlichkeiten am Rand, in der Ecke oder auch im Zentrum der Seite auf, werden vom Text umschlungen oder eingerahmt.

Dazu gesellen sich ganzseitige Zeichnungen, die unser Augenmerk auf Textstellen richten, die wir sonst vielleicht überlesen hätten. Mit feiner Hand ausgeführt, erwarten uns hier stimmungsvolle Interpretationen und Umsetzungen, die den Text auflockern, um eine Dimension erweitern und uns Betrachter verzücken.

Klare Empfehlung, meinerseits.