Bechthold & Elbracht: Hermit, der Froschbarbar: Der Schrei der Schmättterlinge (Buch)

Bechthold & Elbracht
Hermit, der Froschbarbar: Der Schrei der Schmättterlinge
2024, Paperback, 246 Seiten, 19,80 EUR

Rezension von Matthias Hesse

Die Zeichnungen von Daniel Bechthold wirken durch ihren eigenwilligen Stil. Detailverliebtheit, Morbidität, feine klare Linien und martialische Motive, dazu ein entschlossenes Bekenntnis zur handwerklichen Arbeit auf Papier lassen es als folgerichtig erscheinen, dass seine Werke auf Plattencovern zahlreicher Metal-Bands zu sehen sind. Ebenso verbindet ihn eine enge Arbeitsbeziehung zur Kölner Phantastik-Autorin Ina Elbracht, für die er bereits zwei Romane und einige Kurzgeschichten illustrierte - so dass ihre flirrenden Texte und seine hypnotischen Bilder eine dem Lesenden inzwischen fast selbstverständliche Symbiose vorstellen.

Bei ihrer neusten Kooperation verhält es sich jedoch anders: Hier liefert Bechthold nicht etwa die Illustration zu Elbrachts fertiger Story, sondern trieb die Autorin an, seiner Erfindung Hermit eine Geschichte zu geben. Sie tat es, und das Ergebnis ist ungewöhnlich und vor allem herrlich.


Hermit, ein Froschbarbar, verdingt sich als Auftragsabenteurer auf dem kargen Boden seines Heimatplaneten Treboria. Gemeinsam mit dem Axolotling Lauch und einem schwer zu durchschauenden Roboter namens 08/13 nimmt er den Auftrag an, ein goldenes Artefakt aus der alten Einsiedelei im Magrar-Gebürrge zu bergen und der Götteranbeterin Kassandra zu bringen.


Eine simple Low-Fantasy-Quest zunächst. Aber Elbracht wäre nicht Elbracht, wenn dieser Plot lediglich in den gewohnten erzählerischen Bahnen des Genres bis zu seinem muskelbepackten Frog- & Sorcery-Finale dahinschnurrte. Klar, dass die Auftraggeberin, die Götteranbeterin Kassandra, Sinisteres im Schilde führt. Doch dass es der Götteranbeterinnen viele gibt, die allesamt Kassandra heißen, dass auf der Goldenen Scheibe Musik von einem fernen und vergangenen Planeten namens Erde gespeichert ist, darunter die „Arie der Königin der Nacht“, dass diese Arie grauenvolle geflügelte Wesen aus versteinerten Eiern schlüpfen lassen kann, dass Treboria drei Sonnen hat, von denen aber eine keine ist: Mit Sprachwitz, Mozartscher Leichtfüßigkeit und überschäumender Phantasie jongliert die Autorin diese Vielfalt an Motiven und Anspielungen, spinnt sie weiter und führt sie wieder zusammen und auseinander, dass es eine reine Freude ist.

Bechthold und Elbracht haben eine (durchaus fortsetzungsfähige) Welt geschaffen, deren Kompendium an Orten und Geschöpfen etwa einem Zamonien in nichts nachstehen muss. Dabei ist der Titelheld Hermit mit dem gehörnten Helm nicht etwa nur der vor Selbstbewusstsein strotzende Amphibien-Conan wie noch in der gleichnamigen Kurzgeschichte von 2021 (nachzulesen in „Neuer Stern“ Nr. 72). Vielmehr mogelt sich der Axolotling Lauch als das mit Sicherheit bezauberndste Wesen der diesjährigen Fantasy-Neuerscheinungen; bescheiden aber beharrlich ins Rampenlicht. Von durchscheinender Kiemenröte, mutig, stark, weise und belesen, ist es einfach zum Verlieben - wogegen selbst ein draufgängerischer Froschbarbar letztlich wehrlos ist.

Mit schwebender Ironie schildert Elbracht diese und ihre anderen Figuren, greift anstrengungslos innerhalb eines Satzes vor, zurück und ins Allgemeine, was die Lektüre stets eine anregende und geistreiche Achterbahnfahrt sein lässt. Bechthold verleiht dem Axolotling bei aller Zartheit eine kriegerische Würde und sämtlichen Figuren eine gehörige Portion Dreckigkeit. Bei den Darstellungen der Splatter-Szenen sind denn auch beide Verfasser nicht zimperlich, was Genre-Fans gefallen wird. Und wenn in einem atemberaubenden Finale auch noch die Geschlechter und Satzzeichen ein Eigenleben zu führen beginnen, zeigt sich einmal mehr, dass den beiden Schöpfern mit „Hermit, der Froschbarbar: Der Schrei der Schmättterlinge“ ein echter Coup geglückt ist.