Tobias Bachmann: Dreamed - Totgeträumt (Buch)

Tobias Bachmann
Dreamed - Totgeträumt
Nectu, 2024, Paperback, 312 Seiten, 14,99 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Willkommen in der kleinen Stadt Sagunth. Einem Ort, der aber immerhin über eine eigene Universität verfügt, auf der unter anderem über den Schlaf, Träume und Traum-Deutungen geforscht wird. Dr. Felten führt im Institut die Forschungsabteilung, unterstützt durch seine Sekretärin Anne.

Derzeit wissen sie nicht, wo ihnen der Kopf steht. Die ganze Bevölkerung scheint von Alpträumen heimgesucht zu werden. Sie träumen davon, in einem Steinbruch mit ihren Händen schwarze Steine für den Bau eines riesigen Turmes herausschlagen zu müssen – alle -, und es bleiben, einmal aufgewacht, Male an ihren Händen zurück. Langsam wird es bedenklich, da immer mehr Menschen tagsüber zum Beispiel am Steuer einschlafen und Unfälle en masse passieren. Was nur geht vor, in dem kleinen Städtchen, das bereits im Mittelalter, zur Zeit der Pest, von einer Alptraum-Epidemie heimgesucht wurde?

Der Onkel des Studenten Peter, ein Augenarzt, könnte das Mysterium aufklären - nur, dass dieser keine Veranlassung dafür sieht.

Dr Felten wird von einem Unbekannten ein Oneirotograph übergeben, eine Maschine mit der man nicht nur Träume visuell sichtbar machen, sondern die Träumenden auch beeinflussen kann.

Langsam löst sich mit Hilfe der Maschine das Rätsel: Ein alter Bekannter, der Sandmann, ist zurück in Sagunth. Er sucht eine neue Heimstätte, wird er doch gerade aus dem Nimmerland vertrieben und braucht eine neue Heimat - koste das Vorhaben, was es wolle…


Tobias Bachmanns „Dreamed – Totgeträumt“ ist ein faszinierendes, zugleich verstörendes Werk, das tief in die Psyche seiner Charaktere eintaucht und den Leser auf eine albtraumhafte Reise mitnimmt. Bachmann, dem wir schon einige herausragende Weird-Fiction-Texte verdanken, versteht es meisterhaft, eine düstere Atmosphäre zu schaffen, geschickt zwischen Traumwelt und Realität zu changieren und dabei immer mehr ins Surreale überzuleiten.

Dabei gelingt es ihm mittels in der Realität wurzelnden Beschreibungen, zunächst seinen Plot ganz im Hier und Jetzt zu verankern. Wir begegnen dabei geschundenen Charakteren: Anna, die in einer Beziehung ist, die sich überlebt hat, Dr. Felten, der seine mittlerweile 20jährige Tochter seit der Scheidung von 18 Jahren nicht mehr gesehen hat und sein Leid unter Arbeit zu ersticken versucht, Peter, der seine traumatische Kindheit nie verarbeitet hat und ein Junge, der schlafwandelt - sie alle sind Menschen, mit denen wir nicht tauschen möchten.

Geplagt von ihrem jeweiligen Schicksal kommt nun noch die nächtliche Bedrohung hinzu - etwas, das ihre innere Gesundheit auf eine schwere Probe stellt, was sie an Grenzen und darüberhinaus führt. Ihre Traumata prägen sie, erklären ihre jeweilige Handlungsweise und tragen so zu der realistischen Seite des Buches bei. Hinzu gesellt sich die Geschichte des Sandmanns, der Gefahr, die ihm und der Stadt durch den Alp droht, die für die Dramatik sorgen.

Darüberhinaus stellt sich und uns Lesern Tobias Bachmann die Frage, wie brüchig, ja beeinflussbar unsere Wahrnehmung der Welt ist. Dieser philosophische Exkurs ist sehr unauffällig und unterschwellig in den Plot integriert.

Insoweit ist „Dreamed - Totgeträumt“ nicht nur ein phantastischer Thriller, sondern auch ein Roman, in dem philosophische und psychologische Fragen angeschnitten und behandelt werden. Aber Vorsicht: Es kann sein, dass wir Leser den Plot nicht mehr aus unserem Träumen vertreiben können.