Nisha J. Tuli: Trial of the Sun Queen - Die Artefakte von Ouranos 1 (Buch)

Nisha J. Tuli
Trial of the Sun Queen
Die Artefakte von Ouranos 1
(Trial of the Sun Queen, 2022)
Übersetzung: Paula Telge
Knaur, 2024, Paperback, 416 Seiten, 18,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Vor zwölf Jahren war ihr Leben zu Ende. Die Rede ist von den Geschwistern Tristan, Willow und der aufmüpfigen Lor. Unter einem Vorwand wurden sie verhaftet und in das schrecklichste Gefängnis des Königreichs verbracht. Von hier ist noch Niemandem die Flucht gelungen, die Gefangenen streiten mit allen Mitteln selbst um kleinste Vergünstigungen, die Wärter nutzen die Inhaftierten für ihre Lustbefriedigung.

Lor hat sich - mühsam - angepasst. Als ein Mithäftling ihr aber die mittels einer „Gefälligkeit“ an und für den Gefängnisleiter besorgte Seife stiehlt, dreht sie durch. Sie greift ihre Feindin an, wird dann zu zwei Wochen im Schlund verurteilt. Ein Todesurteil, länger als eine Woche ohne Essen und Trinken hat in dem Loch im Wald niemand überlebt.

Als Lor wieder zu sich kommt, ist sie dort, wo sie immer hinwollte - auch wenn sie keine Ahnung hat, wie sie an den weit im Süden gelegenen Königshof der Fae gekommen ist.

Der Sonnenkönig sucht eine neue Gemahlin: Zehn Anwärterinnen - alle haben sich seit Jahren auf die Prüfungen vorbereitet - sollen ihm seine Wahl erleichtern.

Wie immer in der seit Jahrtausenden währenden Geschichte der Fae darf ein Sterblicher aus Umbra als Tribut an den Prüfungen teilnehmen - dieses Mal fällt die Wahl aus nicht wirklich erklärlichen Gründen auf Lor. Dass dieser Kontestant bislang nie überlebt hat, beweist Lor, dass sie eigentlich keine Chance hat. Doch für ihre Rache an dem Herrscher und der Befreiung der Geschwister, das weiß sie, muss sie überleben, mehr noch, sie muss die Prüfungen für sich entscheiden…


Nisha J. Tulis Auftakt einer vierbändigen Reihe erinnert mich von der Stimmung, aber auch von einzelnen Ingredienzien her an eine Mischung aus „Hunger Games“ und „Prison Healer“. Damit will ich beileibe nicht sagen, dass die Verfasserin sich hier etwa bedient hätte, doch die Motive gleichen sich, die Grundanlage des Plots erinnert auch ein wenig an die Vorläufer. Dies vorausgeschickt zum vorliegenden Roman.

Was erwartet uns? Eine sehr toughe Protagonistin: fehlerbehaftet, impulsiv, stur und gewalttätig, aber auch innerlich verletzt und zutiefst misstrauisch.

Dazu eine zunächst eher angedeutete Enemy-to-Lover-Entwicklung mit einem Fae, der bislang zumindest, seine Geheimnisse noch weitgehend hütet. Sprich, die Autorin lässt hier Vieles offen - immerhin gilt es ja auch, drei weitere Bücher zu füllen.

Und es gibt natürlich die Fae. Fae sind… anders. Mancher nennt sie „das Schöne Volk“. Sie sind mächtige, magiebegabte Wesen, oft uralt oder unsterblich. Meist leben sie an Höfen, ihre Gesellschaft ist sehr hierarchisch und von festen Regeln und hoher Etikette geprägt. Elfen und Elben dagegen sind menschenähnliche, langlebige Wesen, die im Einklang mit der Natur leben und sich von den kurzlebigen, aggressiven Rassen fernhalten. Insoweit warten hier ein paar andere Wesen auf uns, als bei Tolkien und Co.

In diese Kulisse stellt Tuli ihre Hauptfigur in Prüfungen, die diese eigentlich nicht überleben, geschweige denn gewinnen kann. Hier präsentiert sie ihren Leserinnen und Lesern das typische Aschenputtel-Thema: Der Underdog - vorliegend ein verzweifeltes Mädchen - kann eigentlich nicht überleben, macht sich aber nichtsdestotrotz daran, ihren vielen Gegnern zu zeigen, was eine Harke ist. So Jemandem folgt man natürlich sehr gerne ins Abenteuer, triumphiert mit ihr, leidet mit ihr und bangt um ihr Leben.

Stilistisch unauffällig, liest sich der Text flüssig, aber auch nicht sonderlich anspruchsvoll auf einen Rutsch. Der Plot selbst verzweigt sich in zwei Handlungsstränge: Lor und der sie unterstützende Fae Gabriel auf der einen Seite, Kronprinz Nadir, dessen Schwester und sein bester Freund, die sich auf die Suche nach der aus dem Gefängnis entkommenen Lor machen (nicht ahnend, dass sie am Hof ist), auf der anderen Seite.

Die Enemy-to-Lover-Handlung wird erst sehr zaghaft angedeutet, kommt noch nicht wirklich in Schwung. Hier werden sich Freunde der Romance Fantasy noch gedulden müssen.

Insgesamt lassen die meisten Figuren noch Tiefe vermissen, bleiben nicht nur oberflächlich bislang stereotyp. Hier hoffe ich auf die weiteren Teile. Weit besser gelungen ist das World Building.

Ein echter Hingucker ist das geprägte Cover, das das Buch aus der Masse der Novitäten auf dem Büchertisch hervorhebt.

So bleibt als Fazit, dass Nisha J. Tuli zwar das Rad der Romance Fantasy nicht neu erfindet, dass es auch Ähnlichkeiten zu bekannten und erfolgreichen Werken gibt, die Verfasserin dann aber doch eigene Wege geht und uns bislang recht munter und temporeich unterhält.