Maddrax 622: Die Verwandlung, Sascha Vennemann (Buch)

Maddrax 622
Die Verwandlung
Sascha Vennemann
Bastei, 2023, Romanheft, 68 Seiten, 2,40 EUR

Rezension von Matthias Hesse

Spätestens als ein Taapir auftaucht, eine jener „Maddrax“-typischen Mutationen - diesmal von südamerikanischen Rüsseltieren -, der auf den Namen Kaffcaa hört, ist klar, dass Sascha Vennemann durchaus weiß, in welch große Fußstapfen der Titel seines aktuellen Romans „Die Verwandlung“ tritt.


Doch nicht etwa verwandelt sich hier ein Prager Bürohengst in ein riesenhaftes Insekt, sondern Titelheld Matthew Drax nebst Begleiterin Haaley und Gefährte All’ec drohen, kämpferische Baumwesen zu werden, wenn die Entwicklung nicht rasch gestoppt wird.

Wasser ist offenbar dazu in der Lage. So wie ein anderes, je nach Sichtweise verseuchtes oder heiliges Wasser, die Metamorphose erst eingeleitet hat. So dümpeln die drei im Urwaldfluss vor sich hin und kriegen es mit fiesen Egeln zu tun, während der nicht infizierte Dak’kar Hilfe holt und nebenbei einer in Bedrängnis geratenen Taapir-Karawane aus der Todeszone und ihren spezifischen Gefahren hilft.


Optimale Zutaten also für ein schmackhaftes, routiniertes „Maddrax“-Abenteuer. Besonders die Karawane und ihre Anführerin D’Elexa sorgen für beinahe nostalgisches Serien-Flair, wenn sie sich, archaisch ausgestattet, mit Brüllaffen und rachedurstigen Ents herumschlagen müssen. Und so lässt es sich durchaus verschmerzen, dass die Episode - als Teil eines mehrere Bände umfassenden Abenteuers - ein wenig die Anmutung eines Lückenfüllers hat. Vennemann schreibt mitreißend, wie überhaupt die gesamte Autorenriege der Serie derzeit ein gutes sprachliches und erzählerisches Niveau pflegt, auf dem nicht jede Bastei-Serie mithalten kann. Die Ausgestaltung der Szenen, Atmosphären und Charaktere ist stimmig, besonders das Wiedersehen von Tautropfen und Licht des Mondes berührt. Mit Wumms nach vorne geht der Roman aber nicht. Die sonst immer für eine Überraschung gute Haaley bleibt ungewöhnlich blass, und die langsame Verholzung der Heldengruppe sorgt zwar für Schmunzler, aber noch nicht für Atemlosigkeit. Vielleicht passiert da mehr im Folgeheft mit dem ungleich dramatischeren Titel „Das Verderben wächst“?

Außerdem ist „Die Verwandlung“ eine gute Anregung, mal wieder in Kafkas gleichnamige Erzählung oder gar in Ovids „Metamorphosen“ hineinzublättern. Dort verwandelt sich Thetis, Göttin des Wassers, in einen Baum, um sich vor einer Vergewaltigung zu schützen, und bewahrt einen lebensmüden Taucher vor dem sicheren Tod. Also Motive, die in Vennemanns Roman in gewisser Weise auch eine Rolle spielen. Ebenfalls bei Ovid: zwei Eisvögel, in deren Gestalt sich zwei getrennte Liebende am Ufer des Styx wieder vereinen. Wenn das mal kein Foreshadowing auf die Zyklusmitte ist, wenn in „Das Ende der Suche“ die lang vermisste Aruula wieder auftauchen wird.

In jedem Fall können die Lesenden auch eine ganz pragmatische Botschaft aus dieser Folge mitnehmen, die der Autor mit Werkstattbericht und (wirklich guter!) Musik abrundet: Mit Bäumen reden kann sich lohnen.