T. Kingfisher: Wie man einen Prinzen tötet (Buch)

T. Kingfisher
Wie man einen Prinzen tötet
(Nettle & Bone, 2021)
Übersetzung: Jasmin Schreiber
Eichborn, 2023, Hardcover, 352 Seiten, 22,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Marra ist als drittgeborene Prinzessin eigentlich relativ unwichtig. In der Thronfolge des kleinen Staates, dem ihre Eltern, de facto ihre Mutter vorsteht, an recht uninteressanter Stelle wird sie, um auch nur ja keine Gefahr aufkommen zu lassen, mit rund 20 Lenzen ins Kloster verfrachtet. Ihre beiden Schwestern werden politisch verehelicht - mit demselben Prinzen des mächtigen nördlichen Nachbarstaates. Und nein, sie sind beileibe nicht gleichzeitig mit dem Sadisten von angehendem Herrscher verheiratet, die Zweitälteste übernimmt den Job, nachdem die Älteste der drei Schwestern nach diversen Geburten von den ständigen Schwangerschaften ausgelaugt - und von ihrem Gatten misshandelt - das Zeitliche segnet.

Marra ahnt in ihrer abgeschiedenen Klause davon nichts, bis sie, zusammen mit ihrer Mutter, zur Beerdigung ihrer Nichte ins Nachbarreich reist.

Sie und ihre noch lebende Schwester waren nie sonderlich eng, doch dass eine solche Bestie in Menschengestalt sich erdreistet, das Leben ihrer Schwester zu bedrohen, sie zu geißeln und zu malträtieren, das geht doch aber auch so etwas von gar nicht!

Schnell fasst unsere mittlerweile 30jährige aus dem Kloster den Entschluss: der Prinz, kurz darauf zum König gekrönt, muss weg.

Sie sucht und findet gar ungewöhnliche Verbündete: eine Staubfrau, die mit Toten sprechen kann, einen in einem Feenkreis schlafenen Recken, einen Knochenhund und eine Adelige, die Segen spendet. Zusammen machen sie sich auf die unmöglich scheinende Aufgabe, den streng Geschützten zu meucheln.


Was ist dies für ein Roman, der dieses Jahr auf dem 81. Worldcon mit dem Hugo Award für den Besten Roman des Jahres ausgezeichnet wurde?

Ein Roman, der in fast jeder Hinsicht etwas Besonderes ist.

Da ist zunächst der Beginn: ein Anfang, der uns Leser in eine uns fremde Welt katapultiert, ohne uns diese groß vorzustellen. Die Verfasserin befolgt ganz den alten Grundsatz „Show, don‘t tell“. Wir sind zunächst ziemlich ratlos; da gibt es ein Königsgeschlecht in einem kleinen Reich, dessen einziges Pfund sein Hafen ist. Dann wird unsere Erzählerin gleich mal stillgestellt - ab ins Kloster mit ihr; stricken, ausmisten, Unkraut jäten und bei Geburten helfen - nicht wirklich fesselndes, spannendes Lesefutter. Dazwischen geschoben wird eine Beschreibung einer Erzählerin, die in einer apokalyptischen Umgebung versucht zu überleben und unlösbar scheinende Aufgaben zu erledigen. Dass es sich bei dieser um unsere Marra handelt, die die Prüfung der Staubfrau für deren Hilfe bestehen muss, erschließt sich uns erst spät.

Auftritt die Schwester, der Unhold und das nördliche Reich - alles recht rundimentär und wenig faszinierend.

Dann - endlich - die Queste. Unsere Klosterschülerin will sich in Sachen Mord, noch dazu an einem streng geschützten Monarchen, probieren - ha! Sie sammelt gar merkwürdige Verbündete und macht sich auf Schusters Rappen auf ins Nachbarreich. Das Interessante dabei ist nicht etwa die Beschreibung der politischen Verhältnisse, der Landschaften oder der Herrscher - nein, Faszination zieht Kingfisher aus ihren Charakteren. Das sind alles unglaublich vielschichtige Unikate, die die Prinzessin hier begleiten.

Auf den ersten Blick alles nichts wirklich Besonderes, aber dann offenbaren sich Geheimnisse, Fähigkeiten und eine gewisse Nonchalance, die die Lektüre prägt. Das ist anders, unterscheidet sich von den sonstigen Questen-Romanen, konzentriert sich auf die Figuren und deren Zeichnung und fesselt so an die Seiten - kein Wunder, dass der Roman den Preis abgeräumt hat.