Heather G. Harris: Die Verschollene - Glimmer 1 (Buch)

Heather G. Harris
Die Verschollene
Glimmer 1
(Glimmer of the Other, 2021)
Übersetzung: Antonia Zauner
Heyne, 2023, Paperback, 304 Seiten, 16,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Die Welt ist aber auch so etwas von ungerecht! Da werden so mir nichts, dir nichts die Eltern ermordet, da wächst die einzige Tochter, Jinx mit Namen, alleine ohne großen Freundes- oder Bekanntenkreis heran und entscheidet sich dann, statt mehr oder weniger sittsam irgendetwas Vernünftiges zu studieren, ihren Lebensunterhalt mit eine Detektivagentur zu verdienen.

Dass sie, mal abgesehen von ihrer Deutschen Dogge, kaum Jemanden vertraut, dass ihre sozialen Kontakte gegen Null tendieren, geschenkt - schließlich sieht sie auf ihren Aufträgen in viele Schlafzimmer… und blickt dort dann immer wieder in Abgründe; ich sage nur: Plüschfuchs.

Dann soll sie für eine versnobbte Adelsfamilie die verschollene Tochter, die eigentlich brav in Liverpool studiert, finden. Dass sie dabei laut ihrer Auftraggeberin einen Kollegen an ihrer Seite dulden muss - 10.000 Pfund Anzahlung sind ein starkes Argument, duldsam zu sein - ist lästig, zumal der Typ auch noch recht anschaulich aussieht.

Dass er offensichtlich bemerkt, dass Jinx eine Gabe ihr Eigen nennt, definitiv zu wissen, ob ihr Gegenüber die Wahrheit sagt oder lügt, macht sie unruhig. Als Stone, so heißt ihr Zwangpartner, ihr dann das Anders zugänglich macht - die Welt der Vampire, Magier, Dryaden, Einhörner und Drachen, ist sie geschockt, zumal sie erfahren muss, dass ihre ermordeten Eltern geachtete und mächtige Mitglieder dieser Welt waren. Findet sie mit Stones Hilfe nicht nur die verschollene Studentin, sondern kommt sie vielleicht auch hinter das Geheimnis des Mordes an ihren Eltern?


Wie man dem Inhaltsanriss unschwer entnehmen kann, liegt mit dem Buch der erste Roman einer neuen Urban-Fantasy-Reihe vor. Heyne wird diesem Roman bereits im Februar des nächsten Jahres den zweiten Teil der im Original bislang siebenteiligen Serie folgen lassen.

Zunächst zum Äußeren: Heyne hat sich Mühe gegeben; Rundumfarbschnitt in einem munteren Grün, im Titelbild taucht die Ermittlerin und ihr Hund auf - die Gestaltung macht ganz eindeutig neugierig darauf, was uns hier erwartet.

Im Inneren dann das gewohnte Bild: eine vor den Augen der Normalen verborgenen Parallelgesellschaft, die ihre eigene Existenzebene mitsamt Ordnungsmacht und politischer Führung hat.

Dabei reagiert unsere Protagonistin erstaunlich gelassen auf die vielen Eröffnungen, die ihr Partner für sie bereithält. Hier macht Harris den alten Fehler: Sie lässt einen Info-Dump über uns herniedergehen, dass es uns fast erschlägt. Von „Show, don‘t tell“ scheint sie nicht gehört, geschweige denn diesen Grundsatz verinnerlicht zu haben. Sie und mit ihr die Leser werden von Offenbarungen förmlich überrollt - Jinx nimmt alles gelassen hin und akzeptiert, dass ihre Welt kurz einmal komplett auf den Kopf gestellt wird.

Ja, der Roman liest sich flott, interessant und wartet mit jeder Menge Wendungen und Geheimnissen auf. Wem dies genug ist, wird hier passendes, kurzweiliges und amüsantes Lesefutter finden. Wer aber ein wenig mehr Realitätsempfinden möchte, der greife lieber zu anderen Reihen.