Vertigo Select 14: Vamps (Comic)
- Details
- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Dienstag, 15. Februar 2011 21:32
Elaine Lee
Vertigo Select 14
Vamps
(Vamps # 1-6, 1994/1995)
Aus dem Amerikanischen von Gerlinde Althoff
Titelillustration von Brian Bolland
Zeichnungen von William Simpson
Farbe von Stuart Chaifez
Panini, 2011, Paperback mit Klappenbroschur, 164 Seiten, 16,95 EUR, ISBN 978-3-86201-142-1
Von Christel Scheja
Vampire sind für die meisten Leser heute wahre Prachtexemplare an Männlichkeit, die trotz ihres untoten Daseins perfekte Liebhaber sind, die ihre Partnerinnen auf Händen tragen und Menschen eigentlich gar nicht töten wollen – nur wenn sie es verdient haben. Dieses Bild varriert je nach Altersgruppe und Interessen. Wie früher aber stehen Vampirinnen eher im Schatten, denn entweder hadern sie mit ihrem Schicksal und suchen nach „dem Einen“, der die Ewigkeit ein wenig erträglicher macht, oder aber sie sind durchweg böse – schwarze Witwen, grausame Furien und eifersüchtige Rivalinnen.
Einen eigenen Willen und Spaß an dem, was sie tun, gesteht man ihnen nicht zu. Genau das beschreibt die Autorin Elaine Lee auch in ihrem Nachwort und begründet ausführlich, warum „Vamps“ genau so geworden ist, wie sie die Miniserie konzipiert hat. Gerade daran merkt man das Alter der Graphic Novel, da sie die durch „Twilight“ und Co. eingeleiteten Veränderungen noch nicht berücksichtigen konnte. Dennoch ist „Vamps“ auch weiterhin aktuell, denn viel hat sich an dem Bild noch nicht geändert.
Die Geschichte von Howler, Screech, Whipsnake, Skeeter und Mink ist schnell erzählt. Die fünf jungen Frauen dienen ihrem Meister Dave. Doch als sie eine Biker-Gang in den Wald locken und hungrig mitansehen müssen, wie dieser sich vollsäuft, fassen sie einen Entschluss. Sie töten ihren Meister und verscharren ihn mit den anderen Leichen. Dann setzen sie sich auf die Maschinen und fahren durchs Land, um endlich den Rausch der Freiheit zu genießen. Sie erlegen sich keine Fesseln auf und tun das, was sie gerade wollen, denn endlich können sie ihren Hunger so stillen, wie sie wollen. Sie wissen nur eines, sie wollen so viel Distanz wie möglich zwischen sich und den Ort ihrer Versklavung bringen.
Allerdings wird ihre Anführerin Howler von den Dämonen ihres früheren Lebens verfolgt, den dunklen und traurigen Erinnerungen, die immer noch in ihr wühlen. Als sie noch eine der vielen leichten Mädchen in Las Vegas war, hat sie einen Sohn geboren, den man ihr aber wegnahm. Nun ist sie von dem Wunsch beseelt, das Kind wiederzufinden und sich an allen zu rächen, die ihr das angetan haben. Die anderen begleiten sie deswegen auf ihrem Feldzug. Allerdings hinterlassen die Vampirinnen eine Spur aus Blut. Aber nicht nur die Polizei, auch ein geheimnisvolles Pärchen beginnt nach ihnen zu suchen. Und nicht zuletzt ersteht Dave wieder von den Toten auf, weil ein Gerichtsmediziner den Pflock aus seinem Herzen zieht. Und er will ebenfalls nur eines: Rache!
„Vamps“ ist ein harter und kompromissloser Comic, bei dem viel Blut fließt. Genauso wie bei anderen Vampirgeschichten aus den 1990er Jahren herrscht eine düstere und grausame Atmosphäre vor, bei denen sich die Figuren nichts schenken. Sie alle befinden sich auf der Schattenseite des Lebens und klammern sich an dem wenigen fest, was nicht schmutzig und pervertiert ist. Das merkt man vor allem Howler an.
Elaine Lee begeht nicht den Fehler, ihre Heldinnen zu vermännlichen. Die Motive und Verhaltensweisen der Vampirinnen bleiben weiblich. Sie nehmen sich zwar ihren Spaß und sind ähnlich skrupellos wie männliche Vampire, aber ihre Dominanz ist pragmatischer und subtiler. Wenn sie einen Mann kontrollieren, dann nicht aus perverser Lust an der Macht, sondern eher aus Notwendigkeit, haben sie es doch in ihrem menschlichen Leben oft genug selbst erlebt, das Opfer zu sein. Auf der anderen Seite verzichtet die Autorin darauf, andere Klischees zu bemühen, denn ihre Vampirinnen wollen nach Jahren der Unterdrückung wirklich frei sein und über sich selbst bestimmen, jetzt wo sie auch die Kraft dazu haben. Selbst der Wunsch von Howler, ihr Kind zu finden, wirkt sehr natürlich und glaubwürdig, da die Rückblenden begründen, warum sie so fixiert darauf ist. Und man sollte nicht die Macht der Hormone unterschätzen. Die Autorin spielt zudem mit der Angst vieler Männer vor der dominanten Frau und weiß sehr genau, dass sie mit der Miniserie ein kontroverses Thema aufgeworfen hat. Aber ihr Mut, eine ungewöhnliche Geschichte zu erzählen, in der die „bösen Mädchen“ nicht am Ende in die Hölle kommen oder reumütig in ihre Rolle zurückkehren, hat eine sehr interessante Graphic Novel geschaffen, die gerade jetzt einen interessanten Gegenpol zu dem bildet, was im Moment in der Phantastik so in ist.
„Vamps“ bricht mit vielen Klischees, die normalerweise weiblichen Vampiren zugeordnet werden. Wer keine Angst vor dominanten „bösen Mädchen“ hat, sollte ruhig einen Blick in die Graphic Novel werfen, denn sie verspricht außergewöhnliche Unterhaltung, auch wenn diese für zarte Gemüter vielleicht zu brutal sein könnte.