Horror 7: Rainmark, Peter Nathschläger (Buch)

Horror 7
Peter Nathschläger
Rainmark
Titelillustration von Thorsten Grewe
Cover-Hintergrund und „Horror“-Schriftzug von Anistasius
Hary, 2010, Taschenbuch, 266 Seiten, 12,95 EUR, ISSN 1614-3310

Von Irene Salzmann

Mark und Rain sind schon seit einigen Jahren ein Paar, aber die Luft ist raus. Dennoch reisen sie zusammen nach New York, um sich einen lange gehegten Traum zu erfüllen. Während einer Besichtigungstour entkommen sie ganz knapp einer Katastrophe: Das General Electric Building ist eingestürzt, nur wenige Minuten, nachdem sie seine Aussichtsplattform verlassen hatten.

Und es soll nicht das einzige Unglück bleiben, das sich um sie herum ereignet. Die Brooklyn Bridge gibt nach, und gleichzeitig macht ein junger Chinese Jagd auf die beiden Männer, will sie aus unbekannten Gründen um jeden Preis erschießen. Mark und Rain begreifen nicht, was los ist – sie haben nur grauenhafte Angst, über die sie erkennen, was sie einander bedeuten...

„Rainmark“ ist ein Beziehungsdrama um ein homosexuelles Paar, das sich mit der Zeit auseinandergelebt hat und nur noch eine Zweckgemeinschaft bildet. Statt miteinander zu reden und aufeinander einzugehen, nähren sie ihre Eifersucht und finden stets neue Wege, sich gegenseitig zu verletzten, durch Taten und Worte. Infolge liest sich die Reise nach New York wie ein letzter Versuch, die Partnerschaft zu retten – oder wie ein Abschied. Die neue Umgebung und die Erlebnisse helfen den beiden jedoch nicht weiter. Es sind die schrecklichen Vorkommnisse, die als Katalysator wirken, und Rain und Mark, aus dessen Perspektive die Geschichte erzählt wird, einander wieder näher bringen. Um sie herum versinkt alles im Chaos. Niemand weiß, ob Terrorakte die Ursache sind. Als wäre das nicht schon schlimm genug, werden die Männer von einem Chinesen verfolgt, der den Auftrag hat, sie umzubringen. Wie die Visionen von Jians Großmutter, Marks Träume und die furchtbaren Ereignisse zusammenhängen, klären erst die letzten Seiten, nachdem aus dem Drama bereits ein Horror- beziehunsgweise Splatter-Roman wurde, Liebe und Abschied Hand in Hand gehen.

Seit einer geraumen Weile erfährt Literatur, die mit Traditionen bricht und zum Beispiel homosexuelle Paare in den Mittelpunkt stellt, zunehmend Akzeptanz (die ‚Lesben-Krimis‘ bei Argument, homoerotische Phantastik bei dead soft oder auch Boys Love und Girls Love im Bereich der Mangas und Light-Novels). Allerdings muss man hier unterscheiden zwischen realistischen Erzählungen von Homosexuellen für Homosexuelle, Bücher für Frauen oder Männer – und der realitätsfernen Verherrlichung der gleichgeschlechtlichen Liebe, die fast ausschließlich von Frauen für Frauen geschrieben wird. Wer nur Letzteres kennt und zufällig an ‚echte‘ homoerotische Literatur gerät, könnte nach der Lektüre ziemlich desillusioniert sein. Denn hier wird nichts beschönigt, sondern eher den Schattenseiten einer solchen Beziehung Beachtung geschenkt: der Unsicherheit, ob man den richtigen Partner gefunden hat und ihn halten kann; die Sorge, dass er jemanden treffen könnte, der seine Wünsche besser zu erfüllen vermag; die Angst, dass eigene ‚perverse‘ Neigungen alles zerstören könnten. Allerdings sind das Probleme, die gewiss nicht auf homosexuelle Partnerschaften beschränkt sind. Marks diesbezüglichen Reflektionen, seinem inneren Horror, der seine Seele verletzt, wird mehr Platz eingeräumt als den Geschehnissen um ihn herum, dem äußeren Horror, der ihn physisch schädigt. Zwar wird beides verknüpft, aber die Katastrophe stellt letztlich nur eine Metapher für die zusammenbrechende Beziehung dar, und der Kampf ums Überleben ist zugleich ein Kampf um die Partnerschaft.

Die Wortwahl und die Beschreibungen des Autors sind stellenweise sehr deftig. Ob das der tatsächliche Sprachgebrauch Homosexueller ist, sei dahingestellt. Sicherlich ist das genauso Geschmackssache des Autors oder abhängig von seiner Intention, wie bei den Autorinnen, die ‚leidenschaftliche Liebesromane‘ und Slash/Boys Love wahlweise lyrisch oder vulgär klingen lassen. Mehr als die Ausdrucksweise ist es jedoch der zynische Unterton, welcher sogar den Leser verletzten kann, der bei dieser Gattung der Literatur auffällt. Natürlich gibt es auch entsprechend düstere Het-Romane. Womit sonst als dem Drama soll man den Leser unterhalten, wenn es keine spannende Handlung in dem Sinne gibt?!

Die Coverillustration von Thorsten Grewe passt zur Roman-Handlung. Schade, dass die Kartonage nicht etwas fester ist. Papier, Satzspiegel und Layout sind in Ordnung. Am Ende des Bandes findet sich ein Selbstporträt des Autors nebst zweier Fotos, der an dieser Stelle auch über seinen Roman „Rainmark“ spricht. Man wundert sich, wie viel Persönliches – außer dem Reiseerlebnis – eingeflossen sein mag.

Alles in allem ist „Rainmark“ ein Horror-Roman mit viel Beziehungsdramatik, der sich an eine spezielle Zielgruppe wendet: an männliche Homosexuelle. Von Het-Lesern, die zu diesem Titel greifen, wird viel Aufgeschlossenheit verlangt, während die weiblichen Fans von Slash/Boys Love nach dieser Lektüre ihre idealisierte Welt vielleicht zerstört sehen.