Robert Kraft: Der Graf von Saint-Germain 1 (Buch)

Robert Kraft
Der Graf von Saint-Germain 1
Titelbild und Innenillustrationen: Adolf Wald
Verlag Dieter von Reeken, 2023, Hardcover, 498 Seiten, 35,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Der Graf de Saint-Germain ist eine der schillerndsten und geheimnisvollsten Persönlichkeiten der Weltgeschichte. Als historisch verbürgte Figur ist er auch heute noch, wie sein Lehrling Cagliostro und der Mönch Rasputin, voller Geheimnisse und somit höchst interessant.

Kein Wunder, dass Robert Kraft diesen geheimnisvollen Mann in den Mittelpunkt eines für seine Verhältnisse recht kurzen Romans gestellt hat. Der Verlag Dieter von Reeken präsentiert uns diesen in zwei gebundenen Bänden in gewohnt sorgfältiger Edition im Neusatz und mit sämtlichen, die Handlung kongenial umsetzenden Illustrationen aus der Feder Adolf Walds.

 

Der Roman beginnt in Rom. Hier lernen wir Anno 1750 den englischen Gesandten Sir Walter Moore kennen. Einem Pater ist im Traum der Erzengel Michael erschienen und hat ihn, in Begleitung der verarmten Nichte des Papstes, in den Keller der englischen Residenz geführt. Hier soll hinter einer Mauer in einem hermetisch seit Jahrzehnten verschlossenen Raum der „rote Löwe“ zu finden sein, ein alchemistisches Mittel um aus unedlen Materialien Gold herzustellen. Nachdem sie die Mauer eingerissen haben, stoßen sie auf einen Zinksarg in dessen Inneren sie eine konservierte Leiche und eine Mitteilung finden, wie diese aufzuwecken ist.

Nach der Wiedererweckung stellt sich dieser als Graf von Saint Germain vor und behauptet, bereits seit Jahrtausenden auf Erden zu wandeln. Er erweist sich als überaus belesener Mann, der auch beidhändig ein glänzender Fechter ist und weder Nahrung noch Schlaf benötigt. Selbst Jesus will er getroffen und begleitet haben. Während er über Mittag eine Stunde lang im Starrkrampf liegt, bereist sein vom Körper losgelöster Geist die ferne Welt - selbst die Herstellung von Gold gelingt ihm auf einer Soiree der englischen Gesandtschaft.

Die Wahrheit hinter dem charismatischen Mann ist weit profaner; als Kleinkind wurde er von einem weisen Lehrer aufgenommen, mit dem zusammen er die Welt bereiste und sich Fähigkeiten wie Wissen aneignete. Seine Gabe, Andere zu Halluzinieren kommt ihm bei seinen Betrugsversuchen natürlich auch zupass…


Wie die bisherigen „Wiederentdeckungen“ der Werke Robert Krafts im Verlag Dieter von Reeken bereits bewiesen haben, haben die Manuskripte auch heute, weit über 100 Jahre nach ihrer Entstehung, das Potential die Leser an die Seiten zu bannen. Kraft-Kenner Thomas Braatz betreut die Ausgaben auch bibliographisch und ordnet den Roman in seinem kurzen, informativen Begleitwort ein.

Der Roman selbst spielt überaus gekonnt mit der Unwissenheit des Lesers. Sind die zutage tretenden Gaben und Fähigkeiten des Grafen echt oder vielleicht doch nur ein Trick, um letztlich ein Leben als geachtetes, ja gefeiertes Mitglied des Adels zu führen?

Lange lässt Kraft seine Leser hier im Ungewissen, bis er sein Geheimnis lüftet. Aber auch danach verliert die Figur des Grafen nichts von ihrer Faszination, ganz im Gegenteil weiß der Plot uns weiter spannend zu unterhalten.

Ich hatte bei der Lektüre gar ein klein wenig den Eindruck, dass sich Kraft, da er nur rund die Hälfte des üblichen Platzes zur Verfügung hatte, bewusst auf das Wesentliche konzentriert hat, dass Wiederholungen und ausschweifende Erläuterungen dieses Mal eher selten eingestreut wurden. Das Ganze las sich runder, temporeicher als so manche Teilbände der anderen Kolportage-Werke des Verfassers.

Alles in allem also wieder eine rundum gelungene Ausgabe die sich nicht nur optisch sondern auch von ihrer Spannung her wunderbar in die Kraft-Editionen des DvR Verlags einreiht.