Rainer Erler: Das Blaue Palais (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Donnerstag, 20. Juli 2023 14:03
Rainer Erler
Das Blaue Palais
p.machinery, 2023, Paperback, 640 Seiten, 26,90 EUR
Rezension von Carsten Kuhr
Mitte der 70er Jahre lief im ZDF eine kleine Spielfilmreihe mit fünf Folgen, die sich mit jeweils 90 Minuten an ein erwachsenes Publikum wandte. In der „Das Blaue Palais“ betitelten Reihe lernten wir eine Gruppe von Wissenschaftlern kennen, die in einer hochherrschaftlichen, blauen Villa im Hessischen Grundlagenzukunftsforschung betrieben.
Geleitet von Louis Palm arbeiten der Gehirnchirurg Professor Manzini, der Biochemiker Jeroen de Groot, die Biologin Sibilla Jacopescu, der Kybernetiker Carolus Büdel, der Chemiker Enrico Polazzo sowie der Physiker Siegmund von Klöpfer. Wie bei Koryphäen leider oft üblich, kommt es zu Differenzen und Animositäten zwischen den Wissenschaftlern. Insbesondere die monetäre Ausstattung der jeweiligen Forschung führt immer wieder zu emotionalen Ausbrüchen. Unterstützt wird das wissenschaftliche Team von der Assistentin Yvonne, dem Hausmeister Kühn und dem Etatmeister des Instituts, Su-Shu Wong.
Die Reihe lässt sich unschwer dem Science-Fiction- beziehungsweise Science-Fact-Genre zuzuordnen. Als thematische Ausgangspunkt nutzte Rainer Erler damals aktuellste wissenschaftliche Erkenntnisse und Hypothesen. Darauf aufbauend, spekulierte er in den einzelnen Folgen über zukünftige Entwicklungen in Forschung und Wissenschaft. Erler ließ sich bei der Produktion der Filme von renommierten Forschern beraten. Um die einzelnen Folgen für ein breites Publikum interessant zu machen, wurde die Handlung auch mit Krimi- und Thriller-Elementen angereichert.
Im Goldmann Verlag wurden die Romane zu der Reihe zwischen 1978 und 1980 erstveröffentlicht, die überarbeitete Werksausgabe erfolgte ab 2006 bei Shayol. Nun legt p.machinery eine Omnibus-Edition vor (auch bei Lübbe erschien bereits 1987 eine Sammelausgabe).
In den jeweiligen Romanen aus der Feder des Regisseurs selbst geht es zunächst um einen Wissenschaftler, dem es gelungen ist, sich Fähigkeiten anderer Menschen aus deren Gehirnen anzueignen - nachdem er diese umgebracht hat.
Im zweiten Text geht es um die Erfindung eines synthetischen Kunstdüngers, der, einmal umgesetzt, allerdings Welt vernichten könnte.
Gibt es Hellseher wirklich? Dieser Frage gehen die Wissenschaftler nach, als eine einfache Arbeiterin entsprechende Fähigkeiten zeigt.
Der Lebenstraum der Unsterblichkeit scheint Wirklichkeit zu werden. Ein schottischer Biologe hat ein Gen gefunden - die moralischen Folgen aber bleiben umstritten.
Was gäbe die Industrie nicht für einen synthetischen Stahl - katastrophale Umweltschäden sind dabei für die Konzerne offensichtlich kein Hindernis.
Wie man sieht, sind die Themen auch heute, weit über vierzig Jahre nach der Erstausstrahlung, brandaktuell. Dass Erler nicht nur als Regisseur und Wissenschaftler, sondern auch als Autor brilliert, macht die Romane auch heute noch lesbar.