Daedalos - Der Story-Reader für Phantastik 14 (Buch)

Daedalos - Der Story-Reader für Phantastik 14

Titelbild: Aubrey Beardsley

p.machinery, 2023, Paperback, 76 Seiten, 14,90 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Hurra, die neue, die 14. Ausgabe des Story-Readers für Phantastik, „Daedalus“ ist erschienen. 1994 erblickte er das Licht der Welt. Verleger Hubert Katzmarz und Autor Michael Siefener, später ergänzt durch Andreas Fieberg, legten bis 2002 ein Dutzend Ausgaben des Magazins vor, das Maßstäbe setzte. Das Who is Who der deutschsprachigen Phantastik-Szene veröffentlichte hier seine herausragenden Erzählungen, die jeweils kongenial durch und mit Illustrationen alter Meister auch optisch umgesetzt wurden.

Nach dem Tod Katzmarz' wurde das Magazin eingestellt, erlebte dann bei p.machinery in einer ganz ungewöhnlichen äußeren Gestaltung im Zweispaltensatz in einem Auswahlband der besten Beiträge des Magazins eine kleine Renaissance. Die Mini-Hardcover-Ausgabe des von Ellen Norton und Michael Siefener herausgegebenen Bandes „Deadalos 1994 bis 2002“ ist längst vergriffen, die Paperback-Ausgabe sowie das eBook sind weiterhin erhältlich und lohnen sich meines Erachtens sehr.

Die Herausgeber Michael Siefener, Ellen Norten und Andreas Fieberg berichten in ihrem kurzen Editorial zur vierzehnten Ausgabe davon, dass sie aus einer erfreulichen Anzahl von qualitativ hochwertigen Erzählungen unterschiedlichster Verfasser die Beiträge auswählen konnten. Wie in der vorhergehenden Nummer auch erwartet, uns ein zweispaltiger Satz sowie passende Innenillustrationen zu den Geschichten.

Acht Geschichten nebst einer Nachbemerkung von Robert N. Bloch zum letzten Beitrag erwarten den Rezipienten. Acht Beispiele unheimlichen Inhalts, die sehr gut auch in die alten Ausgaben gepasst hätten. Natürlich darf ein Klassiker - vorliegend von Carl Stugau - nicht fehlen, ansonsten liegen Erstpublikationen vor.


Den Auftakt macht Dirk Ryll. Über Jahrzehnte erfolgte am Niederrhein ein Raubbau an der Natur, wurden ganze Dörfer entvölkert und aufgegeben, nur um die kostbaren Bodenschätze im Tagebau zu fördern. Ein junger Familienvater macht mit seiner Familie einen Fahrradausflug in die Region und stößt auf ein verlassenes Dorf. Doch so verlassen wie gedacht, ist es dort wohl doch nicht.

Kai Flocke entführt uns zu den Bohemiens im Berlin des Jahres 1926. Wir begegnen einem Maler, den ein Zwillingspaar verpflichtet, den Traum einer versunkenen Stadt auf die Leinwand zu bannen. Der Name der Stadt: R‘lyeh.

Michael Wyrwich stellt uns einen jungen, erfolglosen Straßenmusiker vor. Als dieser von einer Unbekannten eine antike Goldmünze geschenkt bekommt, ändert sich seinen Blick aufs Leben.

Alexander Klymchuk führt uns in den Knochenforst, in eine urwüchsige Gegend, in der seit Jahrzehnten Menschen scheinbar spurlos verschwinden. Als man die abgelegenen Regionen näher untersucht, stößt man auf Überbleibsel urzeitlicher Vegetation, Flora und Fauna. Dass diese auch für moderne Menschen gefährlich sein kann, müssen sie leidvoll erfahren.

Uwe Durst zeigt uns einen Zauberer, der bei einem neuen Agenten landen will. Als die üblichen Zauberkunststücke keine Begeisterung hervorlocken, zeigt er sein wahres Geschick - sehr zur Überraschung und dem Leidwesen des Agenten.

J. A. Hagen präsentiert uns einen früheren Journalisten, der inzwischen billige Dutzendware in Horrorheftchen für den Bahnhofskiosk produziert. Als dieser, um sich inspirieren zu lassen, ein verfluchtes Haus betritt, ahnt er nicht, dass er bereits erwartet wird.

Horst-Dieter Radke stellt uns eine junge Frau vor, die von einem immer wiederkehrenden Albtraum heimgesucht wird. Sie weiß, dass sie den Traum bis zum Ende weitergehen muss, um sich vom Alb zu lösen.

Der 1816 geborene Carl Stugau berichtet uns von einem Besuch in den Katakomben unter Wiens Stephansdom. Als unser Erzähler einer der Leichen einen Zahn als Andenken entwendet, hat das unerwartete Folgen für ihn.


Der Auswahlband präsentiert Texte, die unterschiedlich, stilistisch ansprechend uns an die Seiten bannen. Erzählungen, in denen keine Schock-Momente auf uns warten, die sich eher an den klassischen Gruselgeschichten orientieren, diese aber dann geschickt in die Moderne verlagern. Das sind Beispiele moderner unheimlicher Literatur, die bislang, abseits von „Zwielicht“, wenig Platz in unserer Verlagslandschaft fanden, die hier eine Heimat bekommen von der zu hoffen ist, dass sie möglichst lange bestehen bleibt.