Samantha Shannon: Die Thronfolgerin - Das Kloster des geheimen Baumes 1 (Buch)

Samantha Shannon
Die Thronfolgerin
Das Kloster des geheimen Baumes 1
(A Day of Fallen Night 1: A Roots of Chaos (S. 1-463), 2023)

Übersetzung: Wolfgang Thon

Titelbild: Ivan Belikov
Penhaligon, 2023, Hardcover, 640 Seiten, 22,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr


Zwei Frauen, wie sie unterschiedlicher kaum aufwachsen könnten. Hier Prinzessin Glorian, seit ihrer Geburt als künftige Herrscherin über Ynis auserkoren und entsprechend erzogen, dort Dumai, die im Hochgebirge, auf einer Höhe, da die normalen Menschen Probleme haben, zu Atem zu kommen, heranwächst. Auch sie wird behütet und umsorgt, wächst aber unter ungleich kargeren Umständen in einem Kloster in Saiiki heran.

Dass Beide denselben Vater - den Kaiser - haben führt dazu, dass diese Prinzessinnen, die sich sonst nie begegnet wären, aufeinandertreffen. Dumai wird an den Hof gerufen, ein Ort der Intrigen, der Kämpfe, der Missgunst und des Verrats. Glorian sollte nun langsam eigentlich politisch verheiratet werden, fühlt sich aber zu dem Mundschenk Wulf hingezogen. Ihre Halbschwester könnte als Erbin des Herrschers bestimmt werden - nicht alle sind von dieser Aussicht begeistert. Damit nicht genug, regt sich weiteres Unheil - auf dem Furchtberg erwachen drei der Lindwürmer - ihre Mission: die Menschheit in ihre Schranken weisen.


Ein - neudeutsch so treffend ausgedrückt - Prequel  zu einem High-Fantasy-Bestseller, der wegen seines Umfangs in der Übersetzung, wie die ursprüngliche Geschichte auch, wieder in zwei Bücher gesplittet wurde, legt uns Penhaligon vor. Es geht um die Vorgeschichte des Ordens des geheimen Baumes.

Erneut hat sich der Verlag mit dem großformatigen Hardcover sichtlich Mühe gegeben. Farbenprächtige Relief-Spotlackierung soll das Interesse des potentiellen Käufers wecken. Nach dem Erfolg des ersten Zweiteilers eine durchaus begründete Hoffnung.

Im Mittelpunkt des Geschehens wiederum interessante, weil sich entwickelnde junge, mächtige Frauen. Dabei hält sich die Verfasserin an ihr erfolgserprobtes Schema: eigensinnige junge Frauen, die ebenso impulsiv wie emotional agieren und dann schauen müssen, wie sie die Malaise, die sie sich eingebrockt haben, wieder auf die Reihe bekommen. Dazu gesellen sich jede Menge Intrigen und Geheimnisse sowie - Drachen. Vorliegend Lindwürmer der unnachgiebigen, bösen und nachtragenden Sorte, die weit mehr wie eine Urgewalt über die Menschen hereinbrechen, als wie eine rationale Spezies. Nicht umsonst warnen Überlieferungen bei allen Völkern davor, dass die Drachen, einmal erwacht, die Menschheit vernichten könnten.

Zu erwähnen ist, dass die Autorin uns einen fast 50 Seiten umfassenden Prolog anbietet, in der sie die Geschichte des Menschenreichs kurz - allerdings mir zu langatmig und schlicht langweilig - skizziert.

Danach aber geht es hinein in ihre Geschichten der beiden royalen Abkömmlinge, deren zunächst getrennten Handlungsfäden immer mehr aufeinander zulaufen. Im Verlauf dieser Handlung lernen wir weitere, neue Gegenden der Welt kennen, begegnen Völkern und Überlieferungen. Dabei erwarten uns keine großen gewaltsamen Auseinandersetzungen. Shannon konzentriert sich auf ihre Figuren und die Welt - Motive genug für Spannung und Faszination.

So ist auch dies wieder ein Buch, das sich mehr mit den Figuren und ihrer Umgebung beschäftigt, als mit großer Action. Ein Roman, der allen, die die Romane zuvor verschlungen haben durchlesene Nächte bescheren wird, der ohne Kenntnis der Vorbände goutiert werden kann und mit den Figuren besticht.