Melissa Blair: Broken Blade - Die Klinge des Königs (Buch)

Melissa Blair
Broken Blade - Die Klinge des Königs
(A Broken Blade, 2022)
Übersetzung: Kirsten Borchardt
Titelbild: Kim Dingwall
Heyne, 2023, Paperback, 494 Seiten, 17,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Einst lebten und liebten hier die Elfen - die Rede ist vom Reich Elverath. Dann begann Aemon, der König, seinen Genozid an den Spitzohren - für jeden getöteten Elfen bekam er, so zumindest die von seinen Getreuen verbreitete Begründung für sein andauerndes Dasein, ein Lebensjahr geschenkt. Seit 300 Jahren regiert er nun mit starker, ja brutaler Hand über das Reich. Die Elfen wurden vernichtet, einige wenige mögen sich noch in Randbereichen verstecken; inzwischen jagt er die Halblinge. Nach seinem Erlass sind diese rechtlose Mündel der Krone - eine nette Umschreibung für Sklaverei. Wer sich versteckt und dem Frondienst zu entziehen sucht, der wird verfolgt und umgebracht.

Dass die Magie im Land immer weiter abnimmt zwingt ihn dazu, die eigentlich reichlichen Ernten außer Landes zu verkaufen - der pompöse Lebensstil der Adeligen muss schließlich gesichert werden. Dass die Bevölkerung hungert und darbt, dass die Straßen voll sind von Kindern und Alten, die sich abgemagert und kraftlos kaum mehr auf den Beinen halten können - wen schert es? Um seine Herrschaft zu sichern und die Jagd nach den Halblingen und eventuellen Aufrührern umzusetzen, hat er eine Akademie ins Leben gerufen. Hier werden Halblinge zu treuen, angepassten Assassinen geformt - und wenn sie nicht mehr können oder wollen stehen genügend frische Kräfte bereit, deren Arbeit zu übernehmen.

Keera ist die „Klinge des Königs“, die Anführerin der Assassinen. Ihr werden die heikelsten Aufträge anvertraut - immer dann, wenn es um Staatsverrat geht, ist sie diejenige, die ihre Messer mit dem bernsteinfarbenen Blut der Halblinge oder dem adeligen Lebenssaft der Verräter tränkt. Dass sie sich die Namen ihrer zumeist unschuldigen Opfer, unter denen auch Kinder sind, selbst in die Haut ritzt, ist ihre Art, Buße zu tun.

Seit Kurzem aber fassen die Geknechteten, die Rechtlosen wieder Hoffnung. Der Schatten, ein Mann, der für sie eintritt, der für die Verteilung von Nahrung sorgt und dem Monarchen graue Haare wachsen lässt, hält die Fackel der Hoffnung hoch.

Als die Beiden im Faenland aufeinanderstoßen, muss Keera ihre Mission überdenken und sich selbst hinterfragen.


In letzter Zeit entdecken die Verlage in zunehmendem Maße die Verfasser, die in den sozialen Medien über zig Tausenden an Followern verfügen und deren Werke so für einen entsprechend kalkulierbaren Umsatz sorgen. Melissa Blair hat bislang auf BookTok veröffentlicht und dort mit ihren Buchempfehlungen zu queerer, feministischer und indigener Literatur für Aufsehen und Furore gesorgt. Sie selbst gehört dem indigenen Volk der Anishinaabe in Kanada an.

Vorliegender Roman reiht sich mühelos in die Reihe der üblichen High-Fantasy-Plots ein. Ein despotischer König, der ein ausgegrenztes Volk gnadenlos verfolgt, der Mischlinge zu rechtlosen Objekten macht und sein eigenes menschliches Volk verhungern lässt - der Antagonist und eine eindeutig negativ besetzte Figur als Gegner. Hinzu kommen die beiden charakterlich so ungleichen königlichen Prinzen, die insbesondere in den nächsten Teilen wohl noch eine größere Rolle spielen werden.

Unsere Erzählerin selbst ist dagegen ambivalent gezeichnet. Zwar zeigt sie Gewissensbisse, wenn sie für den König mordet, hinterfragt aber - zunächst - ihre Aufträge kaum, beruhigt ihr Gewissen durch Selbstverstümmelung und Alkohol.

Was dem Plot meines Erachtens fehlt, ist Eigenständigkeit. Die Fantasy-erfahrene Leserin, respektive den Leser, erwartet nichts wirklich Neues, Innovatives, Überraschendes. Sicherlich: Der angesprochene Alkoholismus, die Selbstverstümmelung hat man bislang selten so im Vordergrund gesehen, der Handlungsablauf inklusive des sich behutsam entwickelnden Liebesspiele war aber zu erwarten und barg kaum wirkliche Überraschungen.

Dass sich der Text flüssig und durchaus spannend liest, macht diesen gerade für Rezipienten, die bislang wenig Berührung mit High Fantasy hatten, allerdings zu einem Pageturner.