Nina Rudt: Wir sind das Urteil (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Montag, 17. Juli 2023 11:43
Nina Rudt
Wir sind das Urteil
Bookspot, 2023, Paperbck, 328 Seiten, 15,95 EUR
Rezension von Christel Scheja
Die 1996 in Göttingen geborene Nina Rudt lebt und arbeitet jetzt in Hamburg. Ihre große Leidenschaft ist das Schreiben und so hat sie auch die Chance ergriffen, Bücher zu verfassen. „Wir sind das Urteil“ ist bereits ihr zweiter Roman.
In einer nicht allzu fernen Zukunft hat sich die App JUDGE im deutschen Rechtssystem etabliert, durch die auch die Öffentlichkeit entscheiden kann, ob ein Angeklagter frei kommt, zu Gefängnis verurteilt wird oder gar hingerichtet wird. Pinar und ihre Freunde sind damit aufgewachsen und schätzen das Mitspracherecht. Bis zu dem Tag, an dem ausgerechnet ihr kleiner Bruder Jasin angeklagt wird, ein schweres Verbrechen begangen zu haben. Mit grausamen Folgen nicht nur für ihn, sondern auch seiner Familie.
Das sogenannte Volk durch eine App über Wohl und Wehe eines Menschen mitentscheiden zu lassen ist natürlich nur ein Gedankenspiel, das nicht einmal so neu ist, aber in unserer digitalen Welt umso aktueller. Denn viele der Begleiterscheinungen, wie der von den Medien ausgeschlachtete Prozess, die Manipulation durch Meinungsmacher wie gewissen Influencern und nicht zuletzt auch Gemauschel hinter den Kulissen, ist auch heute schon bis zu einem gewissen Grad möglich und machbar, man denke nur an bestimmte Hetzkampagnen in den sozialen Medien.
Auch die Folgen des Ganzen werden eindringlich geschildert, ebenso wie der Wille der Betroffenen so lange zu kämpfen, wie sie selbst noch die Kraft dazu haben. Dass sie irgendwann nicht mehr können und auf Hilfe hoffen müssen, ist mehr als realistisch. Dabei kommen auch aktuelle Probleme wie der Fremdenhass zum Tragen, der heute durch den Rechtsruck in der Gesellschaft und entsprechende Übergriffe leider unübersehbar ist und beim Lesen in Erinnerung gerufen wird,
Das alles wird in eine bewegende - wenn natürlich auch plaktative - Handlung gepackt, die bewusst ganz bei der Hauptfigur bleibt, die authentisch und lebensnah in Szene gesetzt wird, so wie die Menschen im direkten Umfeld. Vieles, das zudem wie ein Klischee erscheint, ist gar nicht einmal so weit hergeholt, man denke nur an Mobbing in der Schule und den sozialen Medien oder gar die Angriffe auf das Hab und Gut der betroffenen Angehörigen bis hin zu einem Hausbrand.
Ältere Jugendliche und auch junge Erwachsene dürften Vieles wiedererkennen. Die Handlung ist auf ihre Lebenswelt ausgerichtet und bringt vielleicht den einen oder anderen, der bisher ganz auf die Digitalisierung setzte, auch zum Nachdenken, selbst wenn eine solche App wie JUGDE hier in Deutschland niemals durchkommen würde. Denn allein schon das Drumherum ist keine Zukunftsmusik mehr und leider trauriger Alltag. Zusammen mit dem Ende wirkt das auch nach.
„Wir sind das Urteil“ spielt mit faszinierenden Ideen, die vielleicht stellenweise vereinfacht dargestellt werden, deren Begleiterscheinungen aber so aktuell wie nie zuvor sind. Der Roman richtet sich bewusst an ältere Jugendliche und junge Erwachsene, denen die die digitale Welt mit all ihren jetzt schon unangenehmen Auswüchsen mehr als vertraut ist.