Craig Schaefer: Die Geister von New York (Buch)

Craig Schaefer
Die Geister von New York
(Goths of Gotham, 2019)
Übersetzung: Michael Siefener
Heyne, 2022, Paperback, 570 Seiten, 16,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Lionel Page hat sich einen Namen gemacht, und dies nicht nur im heimatlichen Chicago. Er hat als Enthüllungsjournalist vermeintliche Wunderheiler, Magier und Betrüger entlarvt und vor laufender Kamera überführt. Dass er selbst aber einmal mit einer verdrängten Vergangenheit konfrontiert würde, damit hat er nicht mehr gerechnet.

Als er fünf Jahre alt war, wurde die Farm, auf der sich missbrauchte Frauen mit ihren Töchtern in Sicherheit bringen konnten (er war der einzige Junge, der jemals aufgenommen wurde) überfallen, die Anwesenden ermordet, die Farm abgefackelt. Jetzt hat ein findiger Jungreporter herausgefunden, dass Page das Kind war, dessen Geschichte damals durch alle Medien geisterte.

In der mysteriösen Regina Dunkle, der grauen Eminenz der Stadt, findet er eine Frau, die sich um die Bedrohung für ihn kümmert - dauerhaft. Als Gegenleistung sendet sich ihn nach New York, um dort ein aufgetauchtes Original-Manuskript von Edgar Allan Poes Geschichte „Die Tatsachen im Fall M. Valdemar“, mit einem von dem veröffentlichten Version abweichenden Schluss, zu beschaffen.

Kaum in New York angekommen, lernt er eine faszinierende Frau kennen und lieben - eine Frau, die ebenfalls in Diensten von Mrs. Dunkle steht, eine Frau, die weit mehr über die Welt hinter der Fassade weiß, als er jemals vermutet hätte. Gemeinsam kommen sie einer Bedrohung auf die Spur, die die Existenz allen Lebens auf der Erde bedroht. Dabei geraten sie mit Hexern, Geistern, Ghoulen und Göttern aneinander - und wirklich gut stehen ihre Chancen nicht.


Craig Schaefer ist bei uns noch ein recht unbekannter Autor. In seiner Heimat hat er mit seiner mittlerweile 10bändigen „Daniel Faust“-Reihe einen Platz auf den Bestsellerlisten erobert. Bevor Heyne im März nächsten Jahres den ersten Faust-Roman auflegt, veröffentlicht der Verlag zunächst einen Zweiteiler.

Es geht einmal mehr wieder um eine Geschichte, die, unschwer zu erkennen, im Bereich der Urban Fantasy angesiedelt ist. Unser zu Beginn unbedarfter Protagonist ist ein neugieriger Mensch, der sich der Aufdeckung von Scharlatanen verschrieben hat. Ein Zweifler vor dem Herrn und ausgerechnet dieser kommt mit der tatsächlich existierenden übernatürlichen Welt in Verbindung. Hier kann man im wahrsten Sinne des Wortes sagen: Welten begegnen sich. Durch Lionels ebenso neugierige wie misstrauische Augen, lernen wir die Welt der (griechischen) Götter, der Hexen und Hexer, der Geister und Ghoule kennen. Nach und nach kommt er bei der Suche nach dem Manuskript einem finsteren Plan auf die Schliche.

Soweit nichts wirklich Neues oder Innovatives. Inkludiert hat Schaefer dabei Geheimgesellschaften der Reichen und Mächtigen, eine etwas aufgesetzt wirkende Liebesgeschichte und jede Menge Geheimnisse. Das Gebotene hält wenig wirklich Unerwartetes bereit. Für erfahren Urban-Fantasy-Leserinnen und -Leser ist so Manches vorhersehbar, erst im Finale gibt es dann der Aha-Effekt.

Weshalb ich den Roman trotzdem empfehle? Weil es Schaefer gelingt, eine sehr runde, sauber konstruierte und munter voranschreitende Geschichte zu erzählen. Der Text liest sich flüssig, durchaus faszinierend und nach einem kleinen Durchhänger im Mittelteil auch spannend und kurzweilig. Das ist nichts umwerfend Neues, aber solide Unterhaltung, die stilistisch ansprechend ausgeführt, den Rezipienten an die Seiten fesselt.