Matt Query & Harrison Query: Old Country - Das Böse vergisst nicht (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Freitag, 24. Februar 2023 15:24
Matt Query & Harrison Query
Old Country - Das Böse vergisst nicht
(Old Country, 2022)
Übersetzung: Michael Pfingstl.
Heyne, 2023, Paperback, 430 Seiten, 15,00 EUR
Rezension von Gunther Barnewald
Harold „Harry“ Blakemore, ein Afghanistan-Veteran, und seine Frau Sasha erfüllen sich ihren Lebenstraum und kaufen sich ein Grundstück in einem abgelegenen Tal in Idaho, kurz vor den Bergen. Hier glauben sie zunächst ihre Ruhe zu haben vor städtischer Hektik, Staus und Überforderung. Während Harry sich um das Land kümmern soll, arbeitet Sasha zumeist im Homeoffice und reist ab und an einmal für eine Woche noch Boston zu ihrem Arbeitgeber.
Nachbarn haben sie kaum, denn die Gegend ist wirklich sehr einsam, so dass auch der gemeinsame Hund genug Auslauf bekommt. Lediglich das zunächst sehr nette, dann aber extrem seltsam wirkende ältere Pärchen vom weit entfernten Nachbargrundstück namens Dan und Lucy stellen die Beiden bald vor eine Herausforderung, behaupten sie doch, im Tal ginge eine Art mächtiger Spuk um, den man mit festen Ritualen in die Schranken weisen müsse, sonst eskaliere die Gefahr.
Die jungen Leute halten das ältere Pärchen zunächst für meschugge, bis sich schon im ersten Frühling ihres Einzugs zeigt, dass die beiden Alten die bedrohlichen Ereignisse genau vorausgesehen haben.
Harry und Sasha beleibt ganz schnell nichts anderes übrig, als sich dem zu beugen und die kruden Anweisungen der Nachbarn zu befolgen, denn während der mysteriösen Attacke überwältigt die zwei ein unglaublich mächtiges Gefühl von Bedrohung, Angst und Gefahr. Schnell wird den jungen Leuten klar, dass die Nachbarn völlig Recht hatten und sie ohne bestimmte Abwehrrituale hier nicht werden leben können. Jedoch wegziehen können sie auch nicht, denn die Vormieter des Grundstücks haben ihre Flucht mit dem Leben bezahlt. Erschreckende Vorgänge wie zum Beispiel umstürzende Bäume waren ihnen zum Verhängnis geworden, nachdem sie versucht hatten, das Tal zu verlassen.
Die dortige Bedrohung duldet also keine Flucht mehr, wenn man sich erst dort niedergelassen hat. Da Sasha auch noch schwanger wird, wird die Situation für die jungen Leute immer prekärer. Sasha und Harry müssen erkennen, dass mit jeder Jahreszeit ein anderer handfester Spuk auf sie wartet, der immer wieder auf gleiche oder ähnliche Weise bekämpft werden muss.
Als es im Herbst aber den ersten Toten gibt, wird den Beiden klar, dass sie langfristig etwas gegen den Spuk im Tal unternehmen müssen, sonst werden sie den Winter nicht überleben, denn hier stehen scheinbar die von Harry im Krieg getöteten Menschen wieder auf und bedrohen das Ehepaar immer mehr, während die unheimliche Macht im Tal zu triumphieren scheint...
Der vorliegende Roman ist eine ungewöhnlich kraftvolle, und mit zunehmendem Verlauf der Handlung immer bedrohlicher werdende Erzählung, die den Lesern die Atemluft abzuschnüren vermag.
Wirken die einzelnen Bedrohungen noch teilweise skurril und befremdlich, so entwickelt die Geschichte in ihrem Verlauf eine unglaubliche Wucht, obwohl die Handlung an sich eher überschaubar ist.
Wie die beiden Autoren aber Kapitel für Kapitel (die in Abwechslung mal von Sasha und mal von Harry erzählt werden) die Spannungsschraube anziehen und die Atmosphäre vom leicht Bedrohlichen in den blanken Terror umschlägt, ist wirklich meisterhaft gestaltet. Weder ein Stephen King noch einer der Altmeister wie William Hope Hodgson, Arthur Machen (an dessen grandiose Novelle „The Terror: A Fantasy“, dt. „Furcht und Schrecken“ / „Der Schrecken“ dieser Roman erinnert) oder M. R. James haben dies je besser zelebriert als die Querys hier in diesem Buch!
Sogar das Ende, bei so mancher Horror-Geschichte ein Klischee und damit großes Manko, kann sich hier sehen lassen, denn der übliche US-amerikanische Lösungsweg von Waffengewalt (der ja sonst meist alle Probleme ausräumt) hilft dem jungen Paar nicht wirklich weiter, denn wie soll man echte Tote noch töten können (der oft hochnotpeinliche Widerspruch vieler schlechter Zombie-Geschichten, wo diese einfach „weggeballert“ werden!)?
Das Brüderpaar Query macht in diesem Buch wirklich nahezu alles richtig: Vom langsamen, fast gemächlichen Beginn, über den ersten noch nicht so stark wirkenden Grusel im Frühling zur extrem seltsamen Sommer-Bedrohung und den gefährlichen Manifestationen im Herbst bis zum innovativen, an moderne wissenschaftliche Erkenntnisse angelehnten Ende im Winter, der über das Schicksal der Blakemores final entscheidet, den Autoren muss man gratulieren für dieses Meisterwerk, dem man vielleicht lediglich vorwerfen kann, dass es die eine oder andere Seite zu viel aufweist (aber nicht wirklich viele!).
Bezüglich der Atmosphäre und des Spannungsgehalts (allerdings sollte man sich nicht vom gemächlichen Auftakt täuschen lassen, denn die Autoren widerstehen hier klug der Versuchung in die Zukunft der Erzählung zu springen und gewisse „Appetizer“ vorzeitig zu servieren) ist „Old Country - Das Böse vergisst nicht“ einfach eine unglaubliche Wucht und einer der intensivsten Gruselromane, die ich je gelesen habe. Ohne viel Blut (und auch ohne viele Klischees, denn vor allem die Spuk-Manifestationen sind fein ausgedacht) gelingt den beiden US-amerikanischen Autoren ein Horror-Roman vom Feinsten.
Wer nicht auf Ekeleffekte, sondern stattdessen auf dichte Atmosphäre, gute Ideen und einen bis zum Reißen angezogenen Spannungsbogen steht, der darf sich gerne in die grauenvolle Welt der Blakemores begeben, die in ihrem scheinbar idyllischen Tal auf das blanke Entsetzen treffen.