Jack Cady: Des Dunkels wegen und andere Novellen (Buch)

Jack Cady
Des Dunkels wegen und andere Novellen
Übersetzung: von Hort Pukallus, Cecilia Palinkas und Walter Ahlers
Wandler, 2022, Paperback, 268 Seiten, 16,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Nachdem uns der Wandler Verlag mit "Inagehi" bereits einen unheimlichen Roman aus der Feder von Jack Cady vorgelegt hat, schiebt Verleger Michael Schmitt noch eine Original-Kollektion mit drei Novellen nach. Darf man den Gerüchten glauben, so werden uns weitere Texte des Autors im Wandler Verlag erwarten.

Zu vorliegendem Buch. Alle drei Novellen sind vor Jahren bereits auf Deutsch erschienen. Die ersten beiden in der deutschen Ausgabe des "Magazine of Fantasy and Science Fiction", die dritte in der von Douglas E. Winter zusammengestellten Anthologie "Horror vom Feinsten, alle erschienen bei Heyne.

 

Den Auftakt macht "Die Nacht, als wir Pistenhengst begruben". Es geht um Etwas, das den US-Amerikanern heilig ist - um Autos. Der fahrbare Untersatz steht für die Bürger der USA noch mehr als das verfassungsmäßige Recht, Waffen zu besitzen für ihre Freiheit, ihre Unabhängigkeit. Mittels des Autos können sie ihr riesiges Land erkunden, können fahren, wann und wohin sie wollen.
Jed, ein junger Mann erzählt uns die Geschichte von Jesse, einem Autonarren. Nein, nicht was Sie jetzt denken, er sammelt keine Autos - er bestattet diese auf seinem eigenen Autofriedhof. Was mit seinem eigenen 47er Hudson, Miss Molly genannt begann, entwickelte sich nach und nach zu einem durchaus lukrativen Geschäft. Zusammen fahren sie nach Minneapolis, um für Jesse einen neuen Wagen zu kaufen. Fast in jeder Raststätte, Tanke oder Diner stoßen sie in der Toilette auf kurze Texte, Gedichte fast, jeweils unterschrieben von einem Pistenhengst. Dass selbiger auf denselben Straßen unterwegs ist, wie sie, dass er sie ein ums andere Mal überholt macht ihn interessant. Jesse will ihn einholen, überholen, wird besessen von der dem Unbekannten - doch ist ihm dieser wirklich unbekannt?

Das Übernatürlich ist auf leisen Sohlen unterwegs. Geister verunglückter Autofahrer bevölkern die Kreuzungen, werden von denen, die dafür empfindlich sind gesehen, fahrerlose Autos warnen Jed vor Gefahren auf der Straße, der unbekannte Pistenhengst bleibt mysteriös. Doch Cady erzählt nicht nur eine zutiefst amerikanische Geschichte, er lässt auch philosophische Gedanken einfließen. Als Jesse in seinem Auto tot aufgefunden wird etwa, sagen seine Freunde: "Er ist schlicht und einfach ein Rowdy gewesen, aber was die Menschen nicht verstehen ist, dass auch Rowdys ein Daseinsrecht haben. Sie setzen für wenig alles aufs Spiel. Dagegen sorgen die meisten Leute sich wegen des Sterbens so sehr, dass sie keine Gelegenheit zum Leben haben." (S.90)
Durchaus tiefschürfende Gedanken.


Die beiden weiteren Beiträge verbindet, dass jeweils ehemalige Soldaten im Zentrum stehen. Cady nutzt beide Novellen dafür, uns indirekt vom Schrecken des Krieges, von den Folgen für die Täter und Opfer zu berichten. Dabei vermeidet er es, uns von irgendwelchen wilden Kämpfen zu berichten, zeigt uns viel drastischer die Folgen, die diese auf die Soldaten haben. Sei es, dass sie äußerlich versehrt sind oder, dass sie innerlich, angesichts der oft unmenschlichen Schrecken, gezeichnet sind; sie alle werden die Erinnerungen, die sie heimsuchen nicht los.

In "Kilroy war hier" geht es in ein Veteranen-Hospital. In der Geriatrie liegen die unheilbaren Fälle - solange sie noch relativ gut beieinander sind im Doppelzimmer, sobald es, wenn die Schmerzmittel nicht mehr wirken, zu Ende geht im Einzelzimmer. Sie alle sehen die Geister um sie herum - Geister von Verstorbenen, Geister von früheren Kameraden, Geister von getöteten Feinden.

In "Des Dunkels wegen" geht es um Kriegserinnerungen - Erinnerungen, die das Raunen der Toten wecken, Erinnerungen an einen, an den Krieg. Doch wie sagt unser Erzähler so treffen: "Du fragst, von welchem Krieg ich spreche? Das ist nicht wichtig. Sie sind doch alle gleich. Nur die Schlachtfelder wechseln. Alle paar Jahre werden die Waffen erneuert, aber wer erneuert unsere Illusionen?" (S. 180)

Wie wahr diese Aussage doch ist zu einer Zeit, in der in Europa wieder ein verlustreicher Krieg tobt, der jeden Tag unermessliches Leid bringt. Niemand weint um die Gefallenen wie die Mütter und Ehefrauen, die Kinder derer, die diesem Wahnsinn zum Opfer fallen - und da ist es gleich, welchen Pass sie in der Tasche haben.

Beide Novellen sind Werke, die eine innere Wucht auf den Rezipienten ausüben, die betroffen machen (wollen), die uns zwingen, uns selbst Gedanken zu machen, zu positionieren. Der Wahn des Krieges wird, abseits der grellen Action und dem fesselnden Heldentum im Kugelhagel, sehr intensiv in all seinen grauenhaften Auswirkungen für die Teilnehmer angesprochen.

Das ist keine leichte Lektüre zum Vergnügen und zwischendurch. Das ist auch kein Kokettieren mit Geistern, Vampiren und Co. Das zeigt uns in realistischen Gedanken das wirkliche Grauen, das der Krieg auf die menschliche Psyche, auf den Menschen ausübt und ist so viel Angst einflößender als alle Vampire und Werwölfe der Welt.