Axel Kruse: Zeitreisen gehen anders (Buch)

Axel Kruse
Zeitreisen gehen anders
Zeit-Zyklus 1
Titelbild: Lothar Bauer
Atlantis, 2021, Hardcover, 310 Seiten, 18,90 EUR

Rezension von Irene Salzmann

Kettwig an der Ruhr, März 1974: Auf dem Heimweg wird der Schüler Andreas beinahe von einem Unbekannten erschossen. Das Auftauchen einer jungen Frau, die den Mann unschädlich macht, rettet ihn. Sie stellt sich als Catriona vor, nennt ihm einen Ort und ein Datum einundzwanzig Jahre in der Zukunft, an dem sie ihn treffen will, und verschwindet mit der Leiche. Andreas weiß nicht, was er davon halten soll, schweigt über den Vorfall, den ihm ohnehin niemand geglaubt hätte, und lebt sein Leben.

Kettwig an der Ruhr, Mai 1995: Wäre da nicht ein alter Zettel mit Datum und Ortsangabe, hätte Andy das, was vor Jahren geschah, mittlerweile wohl als eine Kinder-Phantasie abgetan. Den Treffpunkt, ein Lokal, gibt es ohnehin nicht. Oder doch? Eine Neueröffnung bewegt ihn dazu, regelmäßiger Gast zu werden und gespannt dem Datum entgegenzufiebern. Und dann ist Cat da!

Allerdings erhält Andy zunächst keine Antworten, denn die beiden müssen fliehen, da offenbar jene hinter ihnen her sind, die damals den Jungen hatten töten wollen. Bloß eines wird ihm immer wieder gesagt: „Zeitreisen gehen anders.“ Er muss, laut Cat, alles vergessen, was er jemals darüber gehört hat oder sich durch Überlegungen meint, herleiten zu können. Auch kann sich kein Ereignis ein zweites Mal genauso abspielen, wie es der Zeitreisende erlebt hat - was Andy auf brutale Weise lernt, denn er wird Zeuge, wie sein jüngeres Ich diesmal in der Vergangenheit ermordet wird.

Von nun an reist er mit Cat durch die Zeit, mal auf der Flucht vor, mal auf der Suche nach ihren Widersachern und vor allem in der Hoffnung, auf die ‚richtige‘ oder ‚bessere‘ Zeitlinie zu stoßen. Aber welche ist das? Die von Cat, obschon sie aus der Vergangenheit stammt, ist technisch wesentlich fortschrittlicher, doch gesellschaftlich viel restriktiver, und so manches, was Andy das Verstehen erleichtern würde, wird ihm verschwiegen.

Schließlich werden sie getrennt. Andy muss sich alleine durchschlagen, manchmal mit Hilfe von temporären Gefährten, doch grundsätzlich darf er sich bloß auf sich selbst verlassen. Nicht mal Cat ist immer die Frau, für die er sehr viel empfindet. Ihr zu helfen oder die ‚richtige‘ Cat wiederzufinden, ist nicht leicht - und mehr als einmal verliert Andy auf seinen Reisen in die Vergangenheit und Zukunft das ‚Amulett‘, welches ihm die Flucht in eine andere Ära ermöglicht.


Das Buch hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Einerseits hat sich Axel Kruse viele Gedanken über das Funktionieren von Zeitreisen und möglichen Paradoxa gemacht, die er beispielsweise dadurch löst, indem immer neue Zeitlinien geschaffen werden, sodass es stets schwieriger wird, die ‚eigene‘, ‚richtige‘ oder ‚bessere‘ zu finden, falls es sie unter diesen Bedingungen überhaupt gibt. Dazu bedarf es einer relativ stabilen Basis in der Vergangenheit, zu der sich die Zeitreisenden zurückziehen: Verletzungen müssen ausgeheilt, passende Kleidung und Währung für den nächsten Ort, die nächste Ära geholt werden. Außerdem ist das Reisen kompliziert, weil die Amulette erst über Tage aufgeladen und kalibriert werden müssen, bevor sie verwendet werden können. Das Sprachproblem wird durch ein Übersetzungsgerät gelöst, das jedoch nur das Verstehen, nicht jedoch das Sprechen ermöglicht, das Erlernen der Sprache somit zur Notwendigkeit wird.

Auf der anderen Seite macht es sich der Autor zu einfach, um Spannung aufzubauen, indem alle Zeitreisenden, denen Andy begegnet, bloß Andeutungen von sich geben, womöglich falsche Fährten (auch für den Leser) legen und sogar die Vermutungen der Hauptfigur durch unerwartete Wendungen immer wieder infrage gestellt werden.

Gleichzeitig kommt es zu Längen, weil bei aller Hin- und Herspringerei - auf der Suche nach Cat mehrfach in dieselbe Ära - und gefährlichen Situationen für Andy nichts wirklich vorangeht, es selbst nach rund 300 Seiten kaum mehr Antworten als zu Beginn gibt. Das stellt die Geduld des Publikums schon sehr auf die Probe und lässt ahnen, dass die Amulette und ihre Schöpfer, wahrscheinlich auch Andy selbst der Schlüssel sein könnten. Vielleicht verrät die Fortsetzung, „Zeittrips gehen anders“, mehr.

Letztendlich sollte man Spaß an dem Thema haben und eine Menge Geduld mitbringen, will man sich auf den „Zeit“-Zyklus einlassen, denn die Längen und spärlichen Antworten sind ein Manko.