Everything Everywhere All at Once (BD)

Everything Everywhere All at Once
USA 2022, Regie: Dan Kwan und Daniel Scheinert, mit Michelle Yeoh, Jamie Lee Curtis, Ke Huy Quan, Jenny Slate u.a.

Rezension von Elmar Huber

Zusätzlich zu ihrem stressigen Alltag als Betreiberin eines Waschsalons steht für Evelyn Wang (Michelle Yeoh) eine ausführliche Steuerprüfung an. Auf dem Weg zu ihrer Sachbearbeiterin (Jamie Lee Curtis) eröffnet ihr ihr Ehemann Waynon (Ke Huy Quan) plötzlich, dass er aus einer anderen Dimension stammt und dass Evelyn ausersehen ist, gegen Jobu Topaki zu kämpfen, um das gesamte Multiversum zu retten. Doch dafür muss sie selbst durch das Multiversum reisen und sich die Fähigkeiten von allen anderen Evelyn-Inkarnationen aneignen, um gegen Jobu Topaki bestehen zu können, die auf dieser Welt ausgerechnet ihre Tochter Joy (Stephanie Hsu) ist.

 

Nach ihrem Überraschungserfolg „Swiss Army Man“ gehen die Daniels“ wie sich Dan Kwan und Daniel Schreinert nennen, mit „Everything Everywhere All at Once“ endgültig in die Vollen, und „Doctor Strange“ muss sich im Marvel-Multiversum warm anziehen.

Bereits die Exposition verläuft sehr knackig, die Figuren werden schnell und im Vorbeigehen etabliert, und sobald sich Familie Wang im Gebäude des Finanzamts befindet, geht der Film auf Dauertempo 180. Kurz erfährt man mit Evelyn, die in einem anderen Universum eine bedeutende Wissenschaftlerin ist, dass selbst die kleinste Entscheidung jedes Menschen ein alternatives Universum erschafft und jene Wissenschafts-Evelyn Reisen zwischen diesen Universen möglich gemacht hat. Nun muss sich unsere Evelyn, die das größte Potenzial hat (weil sie am wenigsten aller alternativen Versionen aus ihrem Leben gemacht hat), der ultimativen Bedrohung Jobu Topaki stellen.

Es folgt ein wilder Ritt durch die Dimensionen, in denen Evelyn Schauspielerin, Sängerin, Schwertkämpferin, Gefängnisinsassin, Zeichentrickfigur und noch vieles mehr oder gar nur ein Stein ist. Dem Zuschauer bleibt dabei keine Sekunde, um aus dem Staunen herauszukommen; jeder Szenenwechsel in diesen Sequenzen ist ein neuer Mindfuck. Um einen Dimensionswechsel einzuleiten, müssen möglichst unerwartete und sinnlose Dinge getan werden, was ebenfalls für skurrile Momente und einige verpixelte Stellen sorgt. Hier werden selbst asiatische Kampfkunst- und Kung Fu-Spektakel ad absurdum geführt.

Dazwischen schmuggeln sich schnell geschnittene Rückblenden, welche die verliebten Anfangszeiten von Evelyn und Waynon zeigen, die sich in der Gegenwart als Liebespaar entfremdet haben. Als Kommentar dazu bietet eine andere Welt eine Art Golden-Hollywood-Liebe zwischen den beiden. So ist in dem irrsinnigen Tohuwabohu-Spektakel noch erstaunlich viel Platz, den Zuschauer auch emotional einzubinden. Ganz davon zu schweigen, dass unsere Heldin ihre eigene Tochter besiegen und gleichzeitig retten muss. Und in welchem anderen Film muss man schon eine Träne verdrücken, wenn ein Stein einem Abhang hinunterrollt?

Michelle Yeoh hat hier eine absolute Paraderolle inne und darf mit Mut zur Selbstironie nach einigen eindimensionalen Rollen endlich wieder glänzen. Besonders freut außerdem das Wiedersehen mit Ke Huy Quan, der als Kind in „The Goonies“ und „Indianer Jones und der Tempel des Todes“ zwei Kultrollen gespielt hat, aber zwanzig Jahre gar nicht als Schauspieler aktiv war. Herausragend gut agiert auch die gegen den Strich besetzte Jamie Lee Curtis als unnachgiebige Finanzamtssachbearbeiterin.

„Everything Everywhere All at Once“ ist ein unfassbar wilder und irrwitziger Ritt durchs Multiversum, gespickt mit einzigartigen Momenten und liebevollen Kleinigkeiten.