Mary Robinette Kowal: Für die Sterne bestimmt (Buch)
- Details
- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 05. November 2022 10:15
Mary Robinette Kowal
Für die Sterne bestimmt
(The Fated Sky, 2018)
Übersetzung: Judith C. Vogt
Piper, 2022, Paperback, 432 Seiten, 18,00 EUR
Rezension von Gunther Barnewald
Das vorliegende Buch „Für die Sterne bestimmt“ ist die direkte Fortsetzung des mit vielen Preisen (Hugo Award, Nebula Award und Locus Award) ausgezeichneten Romans „Die Berechnung der Sterne“.
Die Geschichte spielt in einer Alternativwelt, in der der Sputnik-Schock in den USA ausblieb, durch die Wahl eines anderen Präsidenten (Dewey gewann gegen Truman und förderte die Raumfahrt massiv). Die USA gewannen sogar den Wettlauf ins All bis hin zur Mondlandung (also: erster Satellit, erstes Lebewesen im All, erster Mensch, erster Weltraumspaziergang etc.), auch weil sie Frauen und dann sogar People of Color an ihrem Programm beteiligten.
Und als dann 1952 der gewaltige Meteorit Washington traf und Millionen tötete (hier beginnt die erzählte Geschichte des ersten Buchs um Dr. Elma York, genannt Lady Astronaut), erweist es sich, dass die US-amerikanischen Raumfahrtanstrengungen notwendig sind, auch die Kooperation mit allen anderen Nationen, inklusive der Sowjets und der Chinesen. Denn der Meteorit wird, nach einer kurzen Kälteperiode, auf jeden Fall für eine kräftige und äußerst bedrohliche Klima-Erwärmung auf der Erde sorgen. Deshalb wird es notwendig werden, zur Absicherung der Menschheit, Kolonien außerhalb der Erde zu errichten. Eine Erkenntnis, die in dieser Alternativwelt anscheinend leichter akzeptiert wird.
Erzählt wird die ganze Geschichte aus der Sicht von Dr. Elma York, die nicht nur eine begnadete Mathematikerin ist, sondern auch eine begeisterte Pilotin (und auch noch Jüdin, die auch mit diesbezüglichen Vorurteilen immer wieder zu kämpfen hat!).
Ihr Wille ist es, selbst ins All zu reisen. Sie findet jedoch diesen Weg erst einmal durch männliche Ignoranz verschlossen. Um Frauen „zu schützen“, sollen sie die gefährlichen Aufgaben nicht übernehmen dürfen. Auch aus Angst vor schlechter Publicity, sollte einmal etwas schiefgehen, schließt man die Frauen aus, nur um bald zu begreifen, dass diese Weigerung der Raumfahrtbehörde (hier, in der Alternativwelt, heißt sie IAC, also International Aerospace Coalition), Frauen und auch Schwarze zu beteiligen, nach hinten losgeht.
Und so sorgen Elma und ihre Kolleginnen, die teilweise schon im Zweiten Weltkrieg Flugzeuge geflogen haben, bald dafür, dass die öffentliche Meinung kippt, denn plötzlich wollen alle kleinen Mädchen nicht mehr brave Ehefrau werden, sondern Raumfahrerin. Soweit die Vorgeschichte aus „Die Berechnung der Sterne“.
In der vorliegenden Fortsetzung wird Dr. York sogar Teil der ersten Mars-Expedition, welche in drei Schiffen und mit zwei Crews bemannt die Erde verlässt, um in geplanten 320 Tagen den Nachbarplaneten der Erde zu erreichen.
Erneut sind menschliche Ignoranz und Vorurteile ständige Begleiter der Reisenden, zumal der südafrikanische Apartheidstaat einen seiner Raumfahrer mitschickt, aber nur unter der Vorgabe, dessen begleitende Crew dürfe nur aus Weißen bestehen.
Aber nicht nur Vorurteile gefährden den Flug, sondern auch versagende Technik und menschliche Fehler. Bald gibt es die ersten Toten und Dr. York fragt sich zurecht, ob sie das gemeinsame Ziel überhaupt noch erreichen können...
Die Fortsetzung der Erzählung ist nicht mehr ganz so überragend wie der erste Band um Dr. York, aber noch immer gut und spannend. Erstaunlich, welches technische Detailwissen die Autorin immer wieder aus dem Ärmel schüttelt, ohne den Leser im Geringsten zu langweilen oder die Spannung zu vernachlässigen.
Neben Vorurteilen und Intoleranz konzentriert sich die Geschichte diesmal aber fast ausschließlich auf die anstehende Mars-Expedition und deren Durchführung. Die wichtigsten Charaktere bleiben realistisch und glaubwürdig, werden in all ihren Stärken und Schwächen dargestellt.
Trotzdem bewirkt die alleinige Konzentration auf den Raumflug und dessen Gefahren leider eine Reduzierung der Reize der fremden Alternativwelt, von der die Leser nun kaum noch etwas erfahren. Das macht das Buch ärmer und weniger bunt als den Vorgänger, die Autorin wählt den bequemeren Weg und schränkt damit ihre eigenen Möglichkeiten selbst erheblich ein, was sehr schade ist. Hier hätte man sich mehr gewünscht, ein umfassenderes Panorama auch von den Geschehnissen auf der Erde.
Großer Vorteil dieses Vorgehens ist aber sicherlich der starke Spannungsbogen, den die Autorin auf diese Weise erzeugt, denn eines kann man dieser Fortsetzung sicherlich nicht vorwerfen, nämlich, dass keine packende Geschichte erzählt würde oder die Autorin sich in unnötigen Details verzettele.
Insgesamt also eine gute und würdige Fortsetzung, die aber leider nicht ganz an den überdurchschnittlich starken ersten Roman anknüpfen kann.