Joan Samson: Der Auktionator (Buch)

Joan Samson
Der Auktionator
(The Auctioneer, 1975)
Übersetzung: Heiner Eden
Titelbild: Wendell Minor
Festa, 2022, Hardcover, 381 Seiten, 36,99 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Willkommen in Harlowe, einer Kleinstadt, ach was sage ich, ein Kuhkaff in der Nähe von Boston in Neuengland. Wer hier lebt, der hat vom Stress der Großstadt genug, der sucht ein einfaches, erfülltes Dasein in einer intakten Umgebung. Früh rein, früh raus, schließlich gilt es die Kühe zu melken und das Vieh auf die Weide zu treiben - so ist das Motto des Ortes.

John Moore lebt mit seiner Frau, ihrer Tochter und der Schwiegermutter auf seiner Farm. Fast haben sie nicht mehr daran geglaubt, einmal mit Nachwuchs gesegnet zu werden, jetzt ist die kleine Familie perfekt. Viel haben sie nicht, doch es reicht zum Leben - schließlich sind sie Selbstversorger.

Vor kurzem erschütterte ein Mord das Dorf. Eine Frau, die Zimmer an Touristen und Durchreisende vermietete, wurde erdrosselt - der Täter wird mehr oder eher minder versiert vergeblich vom Sheriff gesucht.

In das vakante Haus zog ein Mann mit seinem Hund ein. Ein Fremder aus New Hampshire, ein Auktionator. Kurz darauf beginnt Perly Dunsmore so heißt er, damit unnütze Gegenstände, die die Farmer auf dem Dachboden oder der Scheune rumstehen haben, zugunsten der Sheriff-Büros zu versteigern. Es zeigt sich, dass Dunsmore seinen Beruf versteht, wie kaum ein Zweiter. Er erzielt von den extra aus der Großstadt Angereisten, Höchstpreise - schließlich hat der Auktionator ein großes Ziel, will er doch Harlowe auf die Landkarte setzen.

Was als freiwillige Gabe von Unnützem oder Überflüssigem begann, das nimmt immer mehr zwanghafte Züge an, will der Auktionator doch mit seinen Auktionen weitermachen - ob die Geber dies wünschen oder nicht, interessiert ihn wenig. Und wer nicht freiwillig seinen Besitz herausrückt, der wird genötigt: Unfälle passieren, Kinder verschwinden - immer dann, wenn sich eine Familie weigert, weitere Gegenstände zu stiften.


Was ist das für ein Roman, den uns Frank Festa in seiner „Pulp Legends“-Reihe hier kredenzt? Pulp, damit verbinde ich plakativen Horror, Blut, Gewalt - all dies findet man hier nicht. Stattdessen erwartet den Leser ein fast stiller, unauffälliger Roman. Subtil ist das Adjektiv, das mir hier als Erstes in den Sinn kommt. Der titelgebende Auktionator taucht erst spät auf, zunächst betreten wir die auf den ersten Blick anheimelnde Bühne mit und durch die Augen der Moores. Wunderbar gezeichnet erwarten uns hier Figuren, die überzeugend in ihrem Umfeld agieren, die uns ganz im Land festmachen.

Dann erscheint der unfähige Schwätzer von Sheriff als Erfüllungsgehilfe. Er ist zwar stereotyp als naiver Dummschwätzer ausgelegt, seine Motivation, die ihm so unangenehme Verantwortung auf weitere Schultern - seine Deputies, die vom Erlös der Auktion verpflichtet werden sollen - zu verteilen, ist wieder nachvollziehbar.

Spät bekommen wir dann Dunsmore zu Gesicht. Unauffällig scheint er zu sein, sein Handeln geprägt davon, die Ortschaft sicherer zu machen, vielleicht gar, diese auf die Landkarte der Großstädter zu hieven und den Bewohnern so eine Chance zu offerieren, eine weitere Einnahmequelle zu erschließen.

Erst relativ spät zieht dann das Unheimliche in den Plot ein. Unterschwellig zunächst wird der Druck auf die Farmer, immer weiteren Besitz zum Versteigern zur Verfügung zu stellen, thematisiert, dann, ohne hier spoilern zu wollen, nimmt der Druck dramatisch zu.

Das ist beklemmend, man kann sich als Leser wunderbar in die Figuren, ihre anfängliche Verleugnung der Gefahr, dann ihre Hilflosigkeit hineinversetzen. Was hätte uns diese Autorin nicht noch an Büchern präsentieren können, wäre sie nicht kurz nach der Veröffentlichung dieses Romans an einem Gehirntumor verstorben.

So bleibt uns ihr Erbe: einer der besten, leisen Horror-Thriller der 70er Jahre, der uns einmal in seinen Bann gezogen nicht loslässt. Lesen!