Lynette Noni: Die Schattenrebellin - Prison Healer 2 (Buch)

Lynette Noni
Die Schattenrebellin
Prison Healer 2
(The Gilded Cage, 2021)
Übersetzung: Sandra Knuffinke & Jessika Komina
Titelbild: Jim Tierney
Loewe, 2022, Hardcover, 522 Seiten, 22,95 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Eines hat ihr mittlerweile im königlichen Gefängnis Zalindov verstorbener Vater Kiva eingetrichtert: Niemand, aber wirklich niemand darf jemals erfahren, dass sie die magische Gabe der Heilung besitzt, und dass sie dem alten, verratenen Königsgeschlecht angehört.

Als ihre Mutter, die Rebellenführerin, dann ebenfalls nach Zalindov eingeliefert wird, hat sich Kiva freiwillig für das Elementurteil gemeldet und überlebt, allen Wahrscheinlichkeiten zum Trotz, die Prüfung.

Jetzt ist sie frei, mehr noch, sie folgte dem Kronprinzen Wenderalls in die Hauptstadt. Hier wird sie von der Königin und ihren Kindern mit offenen Armen empfangen. Niemand ahnt auch nur, dass sie dem Geschlecht der gemeuchelten Vorgänger, den Corentines, angehört - niemand, außer Kivas Geschwister. Diese suchen den Kontakt und verpflichten Kiva, als Spionin am Hof für sie zu arbeiten.

Dass sie der königlichen Familie immer näher kommt, dass sich die Despotin als Herrscherin erweist, der das Schicksal der Menschen durchaus am Herzen liegt und nicht zuletzt, dass der Kronprinz für ein Gefühl der Wärme und Zuneigung in ihrem Innern sorgt, erschwert ihr die Mission. Mehr noch, ihre eigene Familie hintergeht sie; jeder scheint seine eigenen, egoistischen Ziele zu verfolgen…


Im Mittelband der „Prison Healer“-Trilogie schließt die Autorin nahtlos an den ersten Teil an. Inzwischen kennen wir einige der wichtigsten Figuren im Königreich, lernen zusammen mit unserer Erzählerin nun auch ihre verschollene Familie, die sie seit zehn Jahren nicht mehr gesehen hat, kennen - und fürchten.

Es kommt natürlich, wie es erfahrene Leserinnen und Leser bereits erwartet haben. Mehr und mehr fühlt sich unsere Spionin wider Willen zum Kronprinzen hingezogen, lernt weitere maßgebende Figuren des Königreichs kennen und muss ihr Bild von diesen überdenken, ja vielleicht gar revidieren.

Auf der anderen Seite erweisen sich ihre Geschwister, die nach dem Tod der Mutter die Rebellion anführen, als nicht unbedingt sympathisch. Jeder scheint sein eigenes Süppchen zu kochen, verfolgt egoistisch die persönlichen Ziele und geht dabei im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen. Ist die Rebellion überhaupt gerechtfertigt, wem soll sie folgen - ihrem Herz oder der familiären Verpflichtung, das Königreich zu stürzen und die Rebellion zum Erfolg zu führen?

Ihre Zweifel nehmen immer mehr zu; eine Entwicklung, die die Autorin wunderbar unauffällig, aber stimmig umgesetzt hat. Dazu kommt, dass für sie die Träume ihres Vaters, an der Akademie Silverthorn das Heilen zu lernen, in greifbare Nähe rückt.

Für Auflockerung und etwas Humor in der Handlung rückt die Verfasser drei Figuren ins Geschehen: zum einen der uns bereits bekannte aufgeweckte, ja unbändige elfjährige Tipp, der sie aus dem Lager in die Metropole begleitet hat, die Wächterin Naari sowie den königlichen Cousin Caldon, der obwohl er als notorischer Schürzenjäger verschrien, innerlich tief traumatisiert ist. Mit und durch diese beleuchtet Noni ihre Welt auch aus anderen Perspektiven, lockert die Handlung auf und offeriert uns neue, interessante Charaktere.

So ist dies beileibe kein typischer Mittelband einer Trilogie. Dafür passiert entschieden zu viel Entscheidendes, treibt die Autorin ihren Plot doch massiv voran und offenbart neue Ansätze, frische Figuren und Fährnisse.