Jeff VanderMeer: Veniss Underground (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 07. August 2022 17:25
Jeff VanderMeer
Veniss Underground
(Veniss Underground, 2003)
Übersetzung: Eva Bauche-Eppers
Titelbild: Myrtle von Damitz III
Wandler, 2022, Paperback, 244 Seiten, 15,95 EUR
Rezension von Carsten Kuhr
Willkommen in einer fernen Zukunft. Veniss, ein Moloch von einer Stadt, ist die Heimat von Menschen, Klonen und dem Elend selbst. In den Kanälen, in denen einst die Abgase der Raumfahrzeuge kanalisiert wurden, herrscht die Verzweiflung: die unterirdischen Ebenen bieten Wohnraum für die Verelendeten, oben im Licht der Sonne prasst die Hautevolee.
Wir lernen drei Menschen kennen. Ein Zwillingspaar, das aus demselben Ei gezüchtet wurde sowie ein Mann, der es mit Fortune und Zielstrebigkeit aus den unterirdischen Ebenen ans Tageslicht geschafft hat.
Der Mann aus der Tiefe und die Frau, die als Programmiererin ihr Geld verdient, waren bis vor 5 Jahren ein Paar. Ihr Zwillingsbruder ist als Holo-Künstler unterwegs und wird, als wir ihn kennenlernen, gerade beraubt.
Dann gibt es da noch ein Wesen, das Veniss de facto beherrscht. Quin, eine Macht, an die man sich wendet, wenn man einen Gefallen benötigt. Er, der als Bioneur das Klonen von Mischwesen zu seinem Faible gemacht hat, der dafür sorgt, dass Erdmännchen - Mischungen aus den putzigen Steppenwesen und Gorilla-DNS - in keinem Haushalt mehr fehlen. Als willfähige, höfliche und aufopfernde Diener sind sie aus dem Alltag derer, die im Wohlstand leben, nicht mehr wegzudenken. Doch dann kommen unsere Protagonisten einer Gefahr auf die Spur, die zur Auslöschung der Menschheit führen könnte…
Was ist das für ein Roman, den uns der umtriebige Wandler Verlag dieses Mal kredenzt? Nominiert für den World Fantasy Award erwartet uns, auch wenn der Titel in der Reihe „Wandler Weird“ erscheint - kein Horror-Roman, keine dunkle Phantastik.
Wie wir dies vom Autor der gefeierten „Southern Reach“-Trilogie kennen, packt er unheimlich viel in seinen Plot - fasst sich dabei aber immer erstaunlich kurz. Prägnant ist das Wort, das mir hier in den Sinn kommt. Eine Dystopie, ein Science-Fiction-Roman fernab der Weltraum-Phantasien à la „Star Wars“ - ein Werk, das seinen Blick auf die Charaktere der Handelnden und die Zustände in ihrer Welt legt.
Dabei geht es dem Verfasser auch um Gefühle - Liebe, Hoffnung, aber in erster Linie Verzweiflung, Angst, ja auch Gefühlskälte vermittelt der Text.
Das ist so ganz anders, als die sonst so üblichen Schauplätze, das sind Figuren, insbesondere die intelligenten Schöpfungen aus dem Labor, die als Sklaven missbraucht werden, dabei… halt, das wird nicht verraten. Auf jeden Fall fasziniert das, was VanderMeer hier kredenzt.
Es ist sicherlich keine einfache Lektüre zum so „nebenbei herunterlesen“ - dazu verlangt der Autor von seinen Rezipienten unabdingbar, sich auf die Handlung, auf die Figuren und die Umgebung einzulassen, die ihm begegnet. Aber gleichzeitig ist es ein Buch, das uns eine ferne Zukunft schildert, die abseits der klinisch reinen Zukunftsvisionen eine Welt anbietet, die so oder so ähnlich wird sein können, in der es nach wie vor für die Menschen darum geht, ein klein wenig persönliches Glück zu suchen und zu finden, schlechte Entscheidungen zu vermeiden und schlicht zu leben.