Cthulhu Libria Neo 0 (Magazin)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 03. Juli 2022 11:08
Cthulhu Libria Neo 0
Goblin Press/Edition CL, 2015, Broschüre, 32 Seiten, kostenlos
Rezension von Elmar Huber
Das Phantastik-Magazin „Cthulhu Libria“ hat schon einige Inkarnationen durchgemacht, entwickelte sich vom reinen Fanprojekt, das relativ schmucklos über phantastische Buch-Neuerscheinungen informierte - es wurde schließlich um Rezensionen und Berichte aus der Phantastik-Szene erweitert - bis zum ‚vollwertig‘ und professionell gestalteten Magazin, das letztendlich sogar in gedruckter Form mit dem Namenszusatz „ÄON“ (63 bis 65 = ÄON 1 bis 3) erschien. Einige Faktoren sorgten dann für die Einstellung, das sich nun als „Cthulhu Libria Neo“ als neues Phantastik-Magazin unter der Herausgabe von Eric Hantsch und Jörg Kleudgen aus der Asche erhebt. Die vorliegende Testausgabe wurde gratis auf dem BuchmesseCon 2015 in Dreieich verteilt.
Die „CL“-lose Zeit muss man definitiv als kreative Pause bezeichnen. „CL NEO“ kommt nun mit neuem Layout im A4-Hochkantformat. Die Nummer 0 ist noch geheftet, die dickeren Folgenummern sind mit Klebebindung über Amazon zu bestellen. Herausgekommen ist ein in Rubriken gegliedertes Phantastik-Magazin mit Szene- und Hintergrundberichten, Interviews, Artikeln über alte und neue Phantastik, Phantasten und phantastische Themen. Dazu gibt es Kurzgeschichten in Erstveröffentlichung und Buchrezensionen. Exklusive Zeichnungen von Jörg Kleudgen und anderen Künstlern schmücken die Textbeiträge.
Das Layout ist vollständig überarbeitet, wirkt schon allein durch die durchgehend schwarzweiße Gestaltung zurückhaltend und (absichtlich) etwas antiquiert und kann sich für ein Magazin, das keinen professionellen Grafiker beschäftigt, mehr als sehen lassen. Der Text des Schwerpunkt-Artikels steht weiß auf schwarzem Hintergrund, den Schrifthintergrund der sonstigen Beiträge bilden stark vergrößerte und aufgehellte Bildausschnitte, über denen die schwarze Schrift liegt. Ganz zeitgemäß sind die Texte dreispaltig gesetzt, exklusive Zeichnungen, privates Foto-Material (teils per Bildbearbeitung verfremdet) und vereinzelt auch Stockfotos sind elegant ins Schriftbild eingebunden.
Jede Ausgabe steht unter einem Schwerpunktthema, das im Eröffnungsartikel behandelt wird. Ergänzt wird das Magazin dann von verschiedenstem Material zur literarischen Phantastik. Dabei können die Herausgeber auf einen mehr oder weniger festen Stamm an Gast-Mitarbeitern zurückgreifen, zu denen unter anderem Autor und Herausgeber Uwe Voehl, Phantastik-Experte Uwe Somerlad, Autor und Grafiker Axel Weiß von den „Arkham Insiders“ (Podcast von Axel Weiß und Mirko Stauch zu Leben und Werk H. P. Lovecrafts), Lars Dangel, Spezialist in Sachen klassische phantastische Seltenheiten, Künstler Thomas Hofmann und zahlreichen Rezensenten und Aktive aus der Phantastik-Szene gehören.
Bereits für die vorliegende Testnummer wurde einiges an hochwertigem Material zusammengetragen.
Jörg Kleudgen und Eric Hantsch führen den Leser im eröffnenden Schwerpunktartikel in „Sagenhafte Bibliotheken“, wo es um die Faszination (erfundener) verbotener Bücher geht oder eben um ganze Sammlungen davon. Die Autoren nennen nicht nur Beispiele der Thematik, „Der Name der Rose“, „Der Club Dumas“, „Der Schatten des Windes“, „Die magische Bibliothek“, sondern überzeugen auch mit Sachkenntnis zu den Werken.
Weiter hat Horror-Experte Uwe Sommerlad sein Archiv geöffnet und ein Interview mit Ramsey Campbell zur Verfügung gestellt, das er vor über zwanzig Jahren ursprünglich für sein eigenes Fan-Magazin „Necropolitan“ mit dem Schriftsteller geführt hat.
In der Rubrik „Genius Loci“ berichtet Jörg Kleudgen von seinem Besuch in der grenznahen Stadt Monschau (nahe Aachen), die von der gespaltenen „Haller“-Turm-Ruine überragt wird und die er als „Arkham der Eifel“ bezeichnet. Im „Roten Haus“ der Tuchmacherfamilie Scheibler sind 73 Bilder samt Rahmen, Aufhängungen und Schatten direkt auf die Tapete gemalt, und in einem unscheinbaren Schaufenster liegen verstaubte leere Bucheinbände mit obskur klingenden Titeln aus.
‚Arkham Insider‘ Axel Weiß geht in der Rubrik „Cthulhu Found?“ der Frage nach, welche Rolle eigentlich Bücher im Leben und Werk H.P. Lovecrafts spielten. Während wohl jeder das „Necronomicon“ - neben Cthulhu die wohl berühmteste Schöpfung des Autors und in großem Stil von seinen ‚Nachfolgern‘ annektiert - kennt, ist es interessant zu erfahren, welche Bücher Lovecraft selbst beeinflussten. Bereits als Bub stand ihm die umfangreiche Bibliothek seines Großvaters zur Verfügung, wo er schon im Vorschulalter Grimms Märchen und die Erzählungen aus „1001 Nacht“ las. Wer hätte auch gedacht, dass zum Beispiel das „Regnum Congo“ mit der Abbildung eines kannibalischen Metzgerladens (aus „Das Bild im Haus“) tatsächlich existiert?
Lars Dangel stellt in „Vergessene Phantastik“ schließlich Theodor Hildebrands frühen Vampir-Roman „Der Vampyr, oder: Die Todtenbraut“ vor, der 2013 in der Edition Wehrhahn neu aufgelegt wurde.
Uwe Voehls Protagonist in der Kurzgeschichte „Black Birthday“ kann sich weder erinnern, wie er in das Labyrinth von Gässchen geraten ist, in dem er nun schon geraume Zeit im Kreis umherirrt, noch wie der offenbar hingezeichnete Stadtplan in seine Tasche gelangt ist. Und überall stößt er auf Zettel und Schilder, die auf ein bestimmtes, das heutige, Datum hinweisen.
Den Abschluss bildet „Hofmanns Galerie“, in der der Künstler Thomas Hofmann zwei collagenhafte Zeichnungen zur Goblin-Press-Veröffentlichung „Alraune und der Golem“ in voller A4-Größe präsentiert. Hofmann hatte bereits einige Ausgaben von Jörg Klengens klassischer Goblin Press illustriert und seine Fertigkeiten über die Jahre deutlich weiterentwickelt.
Finanzieren muss man sich auch irgendwie, sodass die enthaltene Werbung für phantastische Buchverlage keine Überraschung ist, sich aber auch nicht störend auswirkt. Die Kaufempfehlungen fügen sich, nicht zuletzt da sie ebenfalls in Schwarzweiß gehalten sind, gut in das Gesamtbild ein.
Eine ‚kleine‘ Kostprobe des neuen „Cthulhu Libria“-Magazins, das absolut Appetit auf die regulären Ausgaben macht. Es gefallen die unaufdringliche Gestaltung des Magazins, der Themen-Mix und vor allem die spürbare Leidenschaft und Sachkenntnis der Herausgeber wie auch der Verfasser der einzelnen Beiträge.