Seanan McGuire: Nebelbann – October Daye 2 (Buch)

Seanan McGuire
Nebelbann
October Daye 2
(A Local Habitation – An October Daye Novel, 2010)
Aus dem Amerikanischen von Michael Krug
Titelgestaltung von HildenDesign/Stephanie Kawan unter Verwendung eines Motivs von Laura Zalenga
Autorenfoto von Beckett Gladney
Lyx, 2010, Paperback mit Klappenbroschur, 382 Seiten, 12,95 EUR, ISBN 978-3-8025-8289-9

Von Irene Salzmann

October Daye ist Privatdetektivin – und halb Mensch, halb Duine Sidhe. Als ihr Lehnsherr Sylvester Torquill mit einer Bitte an sie herantritt, kann sie nicht ablehnen, wenngleich sie mit einem unguten Gefühl nach Fremont reist, um durch ein Portal in die Grafschaft Zahmblitz zu gelangen und dort nach dem Rechten zu sehen.

January O’Leary, Sylvesters Nichte, ist die Herrscherin des kleinen Reiches, das von dem benachbarten Herzogtum Traumglas längst geschluckt worden wäre, würde eine solche Aktion nicht einen Konflikt mit Schattenhügel zur Folge haben, denn Sylvester käme seiner Verwandten sofort zu Hilfe. Aufgrund der gespannten politischen Situation kann er nicht selber Nachforschungen anstellen, sondern entsendet Toby zusammen mit dem Pagen Quentin. Wie sich herausstellt, arbeiten Jan und ihre Leute in einer Computerfirma an einem geheimen Projekt, das sie nicht einmal dann aufgeben wollen, als ein Mitarbeiter nach dem anderen auf mysteriöse Weise zu Tode kommt. Toby wird schnell klar, dass man ihr trotz der Angst vor dem Mörder, bei dem es sich um einen der Angestellten handeln muss, vieles verschweigt. Durch ihr Herumschnüffeln geraten Toby und Quentin ebenfalls ins Fadenkreuz des Täters und können nicht verhindern, dass weitere Morde verübt werden. Um endlich Antworten zu erhalten, lässt sich Toby auf ein riskantes Ritual ein: Sie will die Nachtschatten rufen, die entgegen ihrer Gewohnheiten keine der Fae-Leichen geholt haben. Begeht Toby auch nur den geringsten Fehler oder zieht sich den Unmut der seltsamen Wesen zu, werden diese sie, die Lebende, mitnehmen...

„Nebelbann“ ist nach „Winterfluch“ der zweite in sich abgeschlossene „October Daye“-Roman von Seanan McGuire. Nur kurz wird in einigen Nebensätzen auf die Vorgeschichte eingegangen, damit jene Leser, die den ersten Band nicht kennen, das Notwendige über die Handicaps und die komplizierten Beziehungen der Hauptfigur erfahren.

Die Geschehnisse werden aus der Sicht von October Daye erzählt, die sich die einige ironische Bemerkung erlaubt und diesmal erfreulicherweise aufs Jammern verzichtet, um tatkräftig ihren Job zu erledigen. Viel Hilfe hat sie dabei nicht, denn zum einen muss sie auf den jungen, unerfahrenen Quentin aufpassen, zum anderen halten die Frauen und Männer, trotzdem sie in Lebensgefahr schweben, wichtige Informationen zurück. Man darf mit der Titelheldin rätseln, und erfahrene Leser sehen bestimmt so manche Vermutung bestätigt, bis am Schluss alle Puzzleteile an den richtigen Stellen liegen. Die Handlung ist dabei in sich schlüssig, wirkt aber nicht gar so phantastisch und farbenprächtig wie die des ersten Romans. Die Computerfirma als Setting und die Tätigkeiten der Angestellten werden nicht zu ausführlich beleuchtet, spielen aber eine wesentliche Rolle und verleihen der Geschichte eine nüchterne, zeitgenössische Atmosphäre. Zwar agieren verschiedene Fae-Arten, die größtenteils den irisch-keltischen Sagen entliehen wurden, es wird auch Magie eingesetzt, doch bleibt das Gefühl, sich in einer kalten Cyberwelt zu bewegen, insbesondere durch April, Jans Adoptiv-Tochter.

Es scheint, als habe sich die Autorin von einer längeren Play-Station-Session oder von „Avatar“ inspirieren lassen ... Einerseits ist die Idee, dass auch Feenwesen mit der Zeit gehen und sich menschliche Technologie zunutze machen, reizvoll und erlaubt, Fantasy mit SF/Cyberpunk zu verknüpfen, doch the sense of wonder wird dadurch abgeschwächt. Dennoch ist das Buch nicht schlecht – im Gegenteil: Es ist wirklich mal etwas anderes, und gerade wenn man der ‚verliebten Vampire‘ und ‚zerfleischenden Zombies‘ beziehungsweise der Paranormal Romances und seines Gegenstücks, dem Splatter, etwas überdrüssig geworden ist, wird man seine Freude an dieser Lektüre haben, die mit einigen erfrischend neuen Motiven aufwartet. Freilich gibt es auch einige romantische Verwicklungen, doch bleiben diese im Hintergrund und werden nicht vorangetrieben. In Folge präsentiert sich der Band als unverdünnter Fantasy-Krimi mit einem Hauch SF, der spannend zu unterhalten weiß durch eine komplexe, verschlungene Story und interessante Charaktere.

„October Daye“ ist eine packende Fantasy-Serie, die weibliche und männliche Leser gleichermaßen anspricht und in einem Atemzug genannt werden darf mit Titeln wie „Stadt der Finsternis“ von Ilona Andrews, „Dark Swan“ von Richelle Mead“ oder „Dhampir“ von Barb & J. C. Hendee. Eine klasse Reihe für Fantasy-Freunde!