Gabriele Behrend: Das Dorf am Grunde des Sees (Buch)

Gabriele Behrend
Das Dorf am Grunde des Sees
Titelbild: Gabriele Behrend
p.machinery, 2022, Paperback, 164 Seiten, 12,90 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Claire Lindenbaum studiert, dem Rat der Mutter folgend, auf Lehramt. Dass sie eigentlich den Beruf nicht so wirklich ausüben will, dass sie viel lieber die Welt bereisen und fremde Kulturen kennenlernen würde, treibt sie um. Ist ihre Entscheidung, dem elterlichen Rat zu folgen, wirklich das Richtige für sie?

Mit ihrem Bulli fährt sie nach Oberitalien, sucht dort Ruhe und Muße. Der örtlichen Sage nach liegt am Grunde des Sees ein ganzes untergegangenes Dorf.

Sie taucht hinab in die Tiefe, immer wieder immer tiefer - bis, ja bis sie eine Membran durchstößt und plötzlich vom Himmel fällt!

Vladimir Kukuschkin, der zaristische Adelige, kümmert sich um Besucher des Dorfes, egal woher diese kommen. So findet auch Claire Aufnahme, wird den Bewohnern ebenso vorgestellt wie den Besuchern aus anderen Welten, Zeiten und Dimensionen - Wesen, die, obwohl äußerlich so verschieden, oftmals innerlich dasselbe umtreibt: die Suche nach Geborgenheit, einem Platz zu dem sie gehören, nach Anerkennung und Liebe.


Gabriele Behrend hat einen leisen, kurzen Roman vorgelegt. Ein Buch, das die Prämisse eines Kreuzungspunkts der Dimensionen aufgreift, fremde Wesen vorstellt nur um aufzuzeigen, dass so unterschiedlich diese auch von ihrer Physiognomie daherkommen, sie innerlich doch von denselben Gefühlen, denselben Nöten und Motivationen angetrieben werden.

Üblicherweise begegnen uns derartige Wesen eher in Kaschemmen am Rande der Galaxis - ein unterseeischen Dorf ist da doch als Ort der Handlung recht ungewöhnlich. Mehr noch, statt uns eine wie auch immer geartete Handlung voller Wendungen, Kämpfe und Rätsel zu offerieren, nutzt die Verfasserin ihren Platz, um uns von der Suche nach Zufriedenheit zu berichten. Eine jeder der auftretenden Figuren, Tius der Dreiäugige, Emma, die fliegende Händlerin, Tylla der reptiloide Schmied, die Mutter Assel sind auf der Suche nach sich selbst, nach einem Platz, an den sie gehören. Da fügen sich Kukuschkin, der Tischler Giovanni oder die angehende Lehrerin Claire naturgemäß stimmig ins Bild.

Immer wieder wird uns - aber auch den Figuren - deutlich, dass es an ihnen selbst, an einem selbst liegt, das Gewünschte zu erreichen. Jeder ist seines Glückes Schmied, lautet ein treffendes altes Sprichwort - und auf der Suche nach dem Glück begleiten wir so einige markant fremde, innerlich aber doch so bekannte Wesen auf ihrem Weg.

So ist dies ein Kurzroman voller Wärme, voller Anregungen und Gedanken, denen man folgen kann, nicht muss; ein Buch, das man als angenehme Lektüre für Zwischendurch ebenso goutieren kann wie als Anregung über sein eigenes Schicksal nachzudenken und vielleicht etwas zum Besseren zu ändern.