N. K. Jemisin: Die Wächterinnen von New York (Buch)

N. K. Jemisin
Die Wächterinnen von New York
(The City We Became, 2020)
Übersetzung: Benjamin Mildner
Tropen, 2022, Hardcover, 538 Seiten, 25,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Wir kennen sie schon aus Schöpfungen anderer Autoren: lebendige Flüsse und Städte. Ben Aaronovitch und Christoph Marzi fallen mir hier ad hoc ein. N. K. Jemisin aber geht - wie erwartet und erhofft - einen anderen, einen ganz eigenen Weg.


Auch ihre Heimatstadt New York entwickelt eine Seele, die erwacht, eine Seele, die geschwächt ist, die droht unterzugehen. Vier Wächterinnen und ein Wächter werden rekrutiert - Menschen aus New York, Frauen und ein Mann, die sich nicht freiwillig gemeldet haben, sondern die unerwartet, unverhofft ja unerwünscht ihre Aufgabe zugewiesen bekommen.

Fünf Avatare, für jeden Stadtteil einen. Als da sind: Aisling, die Staaten Island nur selten verlässt, Brooklyn, ehedem Rapperin, die mittlerweile als angepasste Anwältin arbeitet, Manny, der versucht, jedes Problem mit Geld zu lösen, Bronca, die die Kunstschaffenden der Stadt unterstützt und Padmini, die mit ihrem scharfen Verstand versucht Änderungen anzustoßen.

Als Tentakel drohen, die Stadt in den Abgrund zu reißen, müssen die Wächterinnen und Wächter sich der Bedrohung stellen.


N. K. Jemisin hat eine wahre Hommage an die Stadt verfasst, in der sie lebt. Eine Liebeserklärung an den Big Apple, ein Roman, der uns an dem Touristen unbekannte Ecken der Stadt führt, uns Eigenheiten und Wesenszüge der Bewohner offeriert.

Unkonventionell, überraschend, leise und doch voller innerer Wucht, so würde ich diesen Roman beschreiben.

Zu Beginn nicht ganz einfach, wirft die Verfasserin uns Leser doch ohne großes Hintergrundwissen gleich in das Geschehen hinein, müssen wir uns zunächst zurechtfinden. Die vielen Anspielungen auf die Kultur der Stadt, ihre Bewohner und Eigenheiten, erschließen sich ebenso wie die Hintergründe erst peu a peu.

Dabei bietet das Buch uns keinen der typischen Urban-Fantasy-Plots an - das wäre der Autorin zu einfach, würde weder ihrem Anspruch noch ihrem Können gerecht werden. Die Metropole selbst übernimmt einen wichtigen Part. In dieser werden die Unterschiede, die Gegensätze und Entwicklungen der Bewohner klar aufgezeigt. Rassismus, ja Rassenhass kommt ebenso vor wie die Toleranz gegenüber persönlicher Freiheit, dem Recht eines Jeden auf seine Facon sein Glück zu suchen, die verbreitete Armut und die alltägliche Gewalt - all dies, was der Tourist gemeinhin ausblendet, wurde inkludiert.

Das ist sowohl von der Anlage her als auch vom Aufbau ungewöhnlich, spiegelt sich in dem kraftvoll, erdigen ja bildgewaltigen Stil des Textes wider, präsentiert uns queere Figuren. Man braucht ein wenig, bis man sich in der Handlung zurechtfindet, bis man die Hintergründe der Geschehnisse erfasst, dann aber erschlägt uns die Autorin förmlich mit ihrer erzählerischen Wucht.