Tricia Levenseller: Wie zwei Schneiden einer Klinge - Sisters of the Sword 1 (Buch)

Tricia Levenseller
Wie zwei Schneiden einer Klinge
Sisters of the Sword 1
(Blade of Secrets, 2021)
Übersetzung. Petra Koob-Pawis
cbt, 2022,Paperback, 410 Seiten, 13,00 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Seitdem ihre Eltern eines Nachts ermordet wurden, kümmert sich die inzwischen 18jährige Ziva um ihre jüngere Schwester. Während sie nach ihrer Lehre bei einem Schmied mit Hammer und Amboss am Stahl arbeitet, bedient Temra ihre Kunden - eine Arbeitsteilung, die dem Naturell beider junger Frauen sehr entgegen kommt.

Denn Ziva hat ein Problem - ein großes. Bei all ihrer Virtuosität am Amboss kann sie aber auch so gar nicht mit Menschen. Schüchtern, der Ausdruck trifft es aber auch so gar nicht. Menschenscheu, panisch was den Umgang mit Anderen anbetrifft, das passt schon eher. Da kommt es gut, dass ihre Schwester eher extrovertiert ist, immer schnell und mühelos Bekanntschaften schließt und den Laden am Laufen hält.

Ziva ist eine von nur zwei Begabten, die ihre magische Kräfte bekanntgemacht hat und damit für ihre Waren wirbt. Nachdem das Reich unter den Königssöhnen aufgeteilt worden war, die Kirche die meisten der Begabten auf den Scheiterhaufen verbrannt hat, sind Zivas Waffen, in die sie ihre Magie einfließen lässt, legendär. Waffen, die dem Gegner im wahrsten Sinne des Wortes den Atem rauben, Speere, die zum Werfer zurückkehren - ihr Ruf eilt ihr voraus.

Als die Kriegsherrin des alten Reiches bei ihr ein Langschwert in Auftrag gibt, will sie ihr Meisterwerk kreieren. Und wirklich, nachdem sie in die Klinge all ihre Geheimnisse hineingeschmiedet hat, vermag das Schwert nicht nur auf Distanz zu verletzen, wenn man sie an dem geschärften Stück Stahl schneidet, raubt es dem Verwundeten gleich noch seine bestgehüteten Geheimnisse.

Bei der Übergabe muss Ziva dann aber erkennen, dass die Kriegsherrin sich auf einen blutigen Bürgerkrieg vorbereitet, die Macht in den Provinzen gewaltsam an sich reißen und sich zur despotischen Herrscherin aufschwingen will.

Die Schwestern fliehen - begleitet von einem weltfremden Scholaren und einem Söldner - und Ziva muss erkennen, dass es auch andere Dinge neben dem Feuer und dem Amboss gibt - Liebe, Vertrauen und Verrat.


Tricia Levenseller legt, im ersten Teil ihres Zweiteilers zunächst einmal ein geradezu klassisch zu nennendes Fantasy-Abenteuer vor. Als da sind die mit einer besonderen Gabe ausgestattete Erzählerin, die natürlich ein Handicap hat. Dazu eine Schutzbefohlene, die eigene Geheimnisse mit sich herumträgt. Dazu gesellt sich ein etwas zwielichtiger Mann fürs Grobe, sprich ein Kämpfer und Schlagtot und ein etwas weltfremder Archivar. Zusammen gehen sie - gezwungenermaßen - auf die Reise, ergo eine Flucht, in deren Verlauf der Leser nicht nur das Reich und dessen Provinzen, sondern auch die großen Städte und die Historie kennenlernen.

Also wir haben, lassen Sie es mich einmal kurz rekapitulieren, Gefahr, Geheimnisse, gefährliche Gegner, einige witzige Situationen, viel Ausgrenzung, ja Diskriminierung, eine junge Frau, die verhaltensauffällig ist, die aber durch die Umstände gezwungen wird, sich zu entwickeln - und ja, es gibt auch ein klein wenig Romantik.

Dies hört sich jetzt gerade alles ein wenig negativ an, liest sich aber dann erstaunlich flüssig, ja spritzig auf einen Rutsch durch. Die neudeutsch Anxiety unserer Protagonistin ist ein interessanter Twist in einer Coming-of-Age-Geschichte, die viele Bestandteile klassischer Helden-Questen hat, dann aber auch wieder ganz eigene Wege geht.

Die Faszination kommt zur einen durch die Verfolgung unseres Quartetts durch die Schergen der Kriegsherrin und die Kirche, zum anderen durch die gruppendynamische Entwicklung, die beide Paare im Verlauf der Geschehnisse durchlaufen. Dabei offenbaren beide Begleiter zögerlich ihre eigenen Geheimnisse, erfahren die Schwestern den Grund, warum ihr Vater seine Familie Hals über Kopf verlassen hat und nie von dieser erzählen wollte. Immer deutlicher wird, dass es an unseren vier Figuren ist, das drohende Unheil eines vernichtenden Bürgerkriegs aufzuhalten - auch wenn sie dies ein ums andere Mal mit Offenbarungen konfrontiert, denen sie lieber aus dem Weg gehen würden, sie zwingt, sich zu positionieren und ihr Potential auszuschöpfen.

Sprachlich unauffällig, inhaltlich packend wartet der Plot - natürlich - mit einem mehr als fiesen Cliffhanger auf - die Fortsetzung ist für Dezember 2022 in Vorbereitung.