Sherlock Holmes’ größter Fall (DVD)

Sherlock Holmes’ größter Fall
GB 1965, Regie: James Hill, mit John Neville, Robert Morley, Judi Dench u.a.

Rezension von Elmar Huber

Eine Reihe von Prostituierten-Morden in Whitechapel sowie ein verpfändetes Chirurgenbesteck erwecken die Aufmerksamkeit des Meisterdetektivs Sherlock Holmes (John Neville). Die erste Spur führt ihn und Dr. Watson (Donald Houston) in die örtliche Armenküche von Dr. Murray (Anthony Quayl), der gleichzeitig der Polizei-Pathologe ist. Das Chirurgenbesteck hingegen führt zu der adligen Familie Carfax, deren ältester Sohn Michael verschwunden ist, nachdem er eine nicht standesgemäße Ausbildung zum Chirurgen begonnen hat.

Während Sherlock Holmes seine Beobachtungen und die Hinweise, die sich ihm bieten, zu einem Bild zusammenfügt, geht nicht nur das Morden weiter. Murray nutzt seinen Ruf bei den Bewohnern von Whitechapel, den Mörder, der sich in einem Brief „Jack the Ripper“ nennt, zu einer Art Messias zu stilisieren, der endlich die Aufmerksamkeit der Welt auf die elenden Zustände im Londoner East End lenkt.

 

„Sherlock Holmes‘ größter Fall“ ist eindeutig ein Kind seiner Zeit. Man wähnt sich zu Beginn fast in einem Edgar-Wallace-Streifen, und man rümpft die Nase über die wenig Gentlemen liken Szenen, die zur Happy Hour in einem Pub in Whitechapel spielen und das Elend vor allem der Frauen zeigen sollen, die gezwungen sind, sich selbst für ein Nachtlager zu prostituieren. Wahrscheinlich trifft dies nicht im Mindesten die Zustände, die dort tatsächlich herrschten, dafür sehen die Damen einfach zu gut und gesund aus. So dauert es eine gute Viertelstunde, bis etwas Zug in die Sache kommt und der Film endlich Fahrt aufnimmt.

Gleiches gilt für Holmes-Darsteller John Neville, der auch erst nach einigen Szenen in seine Rolle hineinwächst, diese dann jedoch mit dem gehörigen holmes‘schen Quäntchen Arroganz und Eitelkeit sehr gut ausfüllt. Mit dem charismatischen Anthony Quayle als Dr. Murray hat Neville einen adäquaten und sehr interessanten Gegenpart. Bis zum Ende bleibt offen, wo dieser steht und ob er nicht selbst der Whitechapel-Mörder ist; die Verdachtsmomente sind hinreichend gut gestreut.

Doch wie es sich gehört, liegt die Lösung des Rätsels in der Vergangenheit und einer tragischen Ereigniskette begründet, die Holmes mit seiner genauen Beobachtungsgabe, seiner Fähigkeit zur logischen Schlussfolgerung und der unschätzbaren Unterstützung des hilfsbereiten Watson nach und nach aufdeckt. So gelingt es dem Film, seine Zuschauer durchgehend bei der Stange zu halten und noch eine stimmige Auflösung zu bieten. Mehr kann man nicht verlangen und mehr will der Film auch gar nicht.

In kleineren Rollen sieht man die spätere Bond-Chefin M alias Dame Judi Dench und als Mycroft Holmes den unverkennbaren Robert Morley.

Regisseur James Hill kann man im positiven Sinne als Routinier bezeichnen. Er startete seine mittelprächtige Karriere als Dokumentarfilmer und war später für Kino und TV tätig. Unter anderem inszenierte er auch einige Folgen „Mit Schirm, Charme und Melone“ der Diana-Rigg-Ära.

Indem hier der fiktive Sherlock Holmes auf den historischen Jack the Ripper trifft, ist „Sherlock Holmes größter Fall“ ein früher Beitrag dieser Mischform, die heute ganz selbstverständlich ist. Dieses Zusammentreffen war nochmals Thema in dem 79er-Film „Mord an der Themse“ (OT: „Murder by Decree“). Als Roman zum Film gilt der Ellery Queen -Roman „Sherlock Holmes und Jack the Ripper“ (OT: „A Study in Terror“), der um die Rahmenhandlung mit Ellery Queen (Ellery Queen ist sowohl Autorenpseudonym wie auch Hauptfigur der Romane) ergänzt ist.

„Sherlock Holmes’ größter Fall“ ist ein souverän inszenierter ‚neuer‘ Sherlock-Holmes-Fall im Hammer-/Edgar Wallace-Stil. Fans des Genres können bedenkenlos zugreifen.