Broceliande - Der Wald des kleinen Volkes 1: Die Quelle von Barenton (Comic)

Broceliande - Der Wald des kleinen Volkes 1
Die Quelle von Barenton
(Brocéliande 1: Forêt du petit Peuple, 2017)
Text: Olivier Peru
Titelbild und Zeichnungen: Bertrand Benoit
Übersetzung: Swantje Baumgart
Splitter, 2018, Hardcover, 56 Seiten, 14,80 EUR

Rezension von Elmar Huber

Zwei Korriganen entführen die Braut des Kobolds Orignace, um diesen großen Erzähler des Waldes dazu zu bewegen, eine Heldengeschichte über zu schreiben..., selbstverständlich mit ihnen in den Hauptrollen. Dass die Inspiration unter diesen Umständen nicht von alleine kommen möchte, versteht sich von selbst. 

Da kommt es dem Geschichtenschreiber gelegen, dass er Zeuge wird, wie der junge Zauberer Merlin seine Verführungskünste - zunächst mehr schlecht als recht - an der schönen Viviane ausprobiert. Doch lassen Merlins Charme und seine Hartnäckigkeit schließlich den Funken überspringen, und er ist im Gegenzug für ihre Zuneigung bereit, die verehrte Viviane in die Geheimnisse der Magie einzuweihen.

Doch Gefahr droht durch die Gebrüder Tibon. Drei Wilderer, die Merlin in der Gestalt eines prachtvollen weißen Hirsches gesehen und als Trophäe auserkoren haben. Es beginnt eine Jagd auf Merlin, die bis in ein magisches Reich führt.


„Die Quelle von Barenton“ bildet den Auftakt einer Fantasy-Anthologie-Serie, die im sagenreichen Wald Broceliande in der Bretagne angesiedelt ist. Wechselnde Kreativteams erzählen die Abenteuer der märchenhaften Bewohner dieses Landstrichs, der aus dem Geschichtenkreis um König Artus bekannt ist. Den Auftakt schreibt Olivier Peru („Die Elfen“, „Nosferatu“) und liefert damit ein erstaunlich modernes und beschwingtes Comic-Märchen ab, das seine Wurzeln in der Artus-Sage hat, wo bereits die Geschichte von Merlin und Vivian(e) (= Nimue, die Herrin vom See) vorkommt.

Schon die Ausgangssituation ist reichlich ungewöhnlich. Ein Geschichtenerzähler wird von zwei trotteligen Gesellen erpresst. Auf der Suche nach einem Abenteuer, das es zu erzählen lohnt, wird er Zeuge von Merlins erfolglosen Verführungsversuchen, ahnungslos noch, dass sich aus dieser amüsanten Situation schon bald ein dramatisches Abenteuer entwickeln soll. So ergibt sich eine lockere Rahmenhandlung, die später in die Haupterzählung hineinfließt. Denn Orignace wie auch die beiden gar nicht so bösen Korriganen müssen Merlin gegen seine Verfolger zur Seite stehen.

Merlin selbst ist hier keineswegs der alte und weise Zauberer späterer Erzählungen, sondern ein junges Schlitzohr, das seine Kräfte gern einsetzt, um eine schöne Lady zu beeindrucken. Und eben dieses ‚Balzgebahren‘ wird ihm zum Verhängnis. Die Handlung nimmt damit durchaus dramatische Züge an, die einen Gegenpol zu dem sonst gebotenen, leichtfüßigen Humor liefern. So schafft Olivier Peru ein dynamisches Spannungsfeld von Emotionen und laviert souverän und angenehm zügig durch die märchenhafte Handlung.

Die Zeichnungen von Bertrand Benoit („Androiden“, „Orakel“) sind wunderbar ausdrucksstark, jede Geste und jeder Gesichtsausdruck passt. Die Darstellung der Natur und des Waldes überzeugt ebenso wie Merlins magisches Schloss unter dem Wasser des Sees und die ‚trolligen‘ Figuren, die sich in Broceliande tummeln.

Toller Auftakt! „Die Quelle von Barenton“ präsentiert sich sehr frisch und modern, ohne respektlos gegenüber den Vorbildern zu sein.