Jörg Weigand: Paris - Erinnerungen an Monate, die mein Leben veränderten (Buch)

Jörg Weigand
Paris - Erinnerungen an Monate, die mein Leben veränderten
Verlag Dieter von Reeken, 2022, Paperback, 154 Seiten, 15,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Jörg Weigand ist uns als kenntnisreicher Kurzgeschichten-Autor, Essayist, Journalist und Spezialist für die Publikationen in Deutschland nach 1945 ein Begriff. Mit seinem ebenfalls bei Dieter von Reeken erschienen Band „Abenteuer Unterhaltung“ hat er 2018 bereits einmal von seiner Jugend erzählt, eine Art Biographie vorgelegt.

Nun also legt er nach; - soll heißen, uns erwartet ein Bericht über seinen Aufenthalt in der Stadt an der Seine. In seinem Studienjahr 1965/1966 weilte er als Stipendiat dank eines Programms der französischen Regierung in Paris, studierte an der École Nationale des Langues Orientales Vivantes Sinologie.

Nun könnte man meinen, der Bericht sei trocken, interessiere den heutigen Leser, der Weigand - wenn überhaupt - aus seinen viel zu wenigen Geschichten und seinen kundigen Artikeln kennt, nicht sonderlich.

Doch das stimmt so nicht. Zwar machte auch ich mich mit entsprechenden Ressentiments an die Lektüre des dünnen Bandes, doch dann durfte ich feststellen, dass der Inhalt mich durchaus zu faszinieren wusste.

Weigand portraitiert nicht nur sich selbst mit einem gehörigen Schuss Selbstironie und großer Ehrlichkeit, er präsentiert uns auch das Bild einer Weltstadt und einer Nation, die ihren Traditionen verpflichtet ist, in der das Savoir-vivre regiert, in der es aber auch Armut, soziale Missstände und Studentenrevolution gibt. Seine Beschreibungen wirken dabei überaus lebendig, die beschriebenen Weggefährten lebensecht und interessant, seine damals begonnene Entwicklung nachvollziehbar. Die von ihm Zeit seines Lebens geschätzte Science Fiction kommt nur am Rande vor - er abonniert „Fiction“, die französische Ausgabe des „Magazine of Fantasy & SF“, und verfasst einen Artikel zum Start von „Perry Rhodan“ in Frankreich. Stattdessen berichtet er uns von Menschen unterschiedlichster Kulturkreise, die seine „Ersatz-Familie“ wurden, von Begegnungen und Begebenheiten mit Honoratioren und angesehenen Familien der besseren Gesellschaft - und deren Abgründe - und von Clochards und Concierges.

So ist dies erneut eine Teil-Biographie, die dem Leser ein wunderbar stimmiges, interessantes Bild einer vergangenen Zeit offeriert, die in der Rückschau auch immer wieder die Auswirkungen der traumatischen Kindheit des Verfassers zeigt und wie er versucht, sich aus dieser zu befreien. Das ist teilweise ergreifend, traurig, dann wieder lustig und spritzig - die Lektüre wurde mir zumindest nie lang.