Springflut - Season 1 Box (DVD)

Springflut - Season 1 Box
Schweden 2016

Rezension von Elmar Huber

Über die Semesterferien bekommen die Polizeischüler von Stockholm die Aufgabe, sich mit einem Cold Case zu beschäftigen: 1990 wurde am Strand von Nordkoster eine schwangere Frau auf perfide Weise getötet, indem man sie unter Drogen setzte und bis zur Brust in den Sand eingrub, sodass sie durch die einsetzende Springflut ertränkt wurde.

Polizeischülerin Olivia Rönning (Julia Ragnarsson) ist regelrecht besessen von dem Fall, in dem seinerzeit bereits ihr verstorbenen Vater ermittelt hat. In dessen Unterlagen stößt sie auf Hinweise, die nie verfolgt wurden. Verzweifelt versucht Olivia, den damaligen Chefermittler Tom Stilton (Kjell Bergqvist) ausfindig zu machen, der den Polizeidienst gekündigt hat und vom Erdboden verschwunden zu sein scheint. Um sich den Tatort anzusehen und gegebenenfalls selbst einige Zeugen von damals zu befragen, reist Olivia sogar nach Nordkoster, wo zeitgleich Nils Wendt aus Costa Rica ankommt, der ebenfalls ein seltsames Interesse an eben jenem Strandfleck zeigt, wo damals der Mord geschah.

Zur gleichen Zeit wird Stockholm von einer Reihe brutaler Übergriffe auf Obdachlose erschüttert. Die jugendlichen Täter zeichnen die Taten auf und stellen sie ins Netz. Einer dieser Obdachlosen ist Tom Stilton, dessen Lebenswille ausgerechnet durch den Mord an einer Freundin und den Wunsch nach Vergeltung wieder entfacht wird. Davon profitiert auch Olivia, die Stilton endlich ausfindig macht und ihn überreden kann, sie im Fall ‚Strandmord‘ zu unterstützen. Doch stoßen die Nachforschungen des ungleichen Paares nicht nur auf Gegenliebe, und so sehen sich Olivia und Tom bald sogar von mehreren Seiten bedroht.


Das Autorenduo Cilla & Rolf Börjlind hat sich seine Meriten als Drehbuchautoren für skandinavische Fernsehware der gehobenen Klasse, wie „Kommissar Beck“ und die Arne -Dahl-Verfilmungen, verdient, bevor sie die Buchreihe um Olivia Rönning und Tom Stilton ins Leben gerufen haben. Als Kenner der Materie zeichnen sie auch für das Drehbuch von „Springflut“, den ersten Rönning/Stilton-Fall, verantwortlich.

Auf ein großartiges Vorspiel wird verzichtet, sodass man als Zuschauer schon nach wenigen Minuten in dem Fall drin ist. Die Handlung nimmt einen ungewöhnlich schnell mit, und das sehr konstante Erzähltempo trägt ebenfalls dazu bei, sich auf Olivia Rönnings Ermittlungen einzulassen. Ihre persönliche Motivation, sich so sehr in den Fall ‚Strandmord‘ zu vergraben, sind absolut nachvollziehbar. Mit dieser jugendlichen Figur als ‚Ermittlerin‘ wirkt „Springflut“ auch etwas frischer und weniger düster als beispielsweise die Kollegen Wallander oder Kommissar Beck.

Die Handlung um Tom Stilton beginnt komplett unabhängig, und es bleibt, was die Obdachlosen-Morde angeht, bei einer reinen Parallelhandlung, die ebenfalls sehr eindringlich und keinesfalls als Beiwerk geschildert wird.

Die Ermittlungen im Fall ‚Strandmord‘ bewegen sich in den geläufigen Bahnen eines Skandinavien-Krimis, wobei die typische Spur in die Vergangenheit hier in der Natur der Sache liegt. Viel überraschender ist es, dass sich ausgerechnet heute - außer Olivia - wieder jemand für die Tat interessiert und es sogar zu weiteren Todesfällen kommt, die mit dem damaligen Mord in Verbindung stehen. Dass Spuren außerdem in die Vorstandschaft einer großen Firma, zu einer ehemaligen Prostituierten und nach Costa Rica führen, ist ebenfalls keine Überraschung. Was nicht heißen soll, dass sich hier Langeweile breit macht. Ganz im Gegenteil.

Skript, Regie und den Darstellern gelingt es, das Interesse des Zuschauers über einen Zeitraum von mehr als sieben Stunden aufrecht zu erhalten und annähernd konstante Spannung zu liefern, ohne dass zum reinen Selbstzweck überdramatisiert wird oder willenlose Effekthascherei zum Einsatz kommt. Besonders was die Figurenzeichnung und -entwicklung angeht, kann ein solches, mehrstündiges Format natürlich absolut punkten. So ist auch das Arsenal der Nebenfiguren - Stiltons Netzwerk an Obdachlosen oder sein alter Informant Minken (Johan Widerberg) - originell und erstklassig gezeichnet und bietet bisweilen eine Möglichkeit zum Durchatmen, ohne jedoch zu Lachnummern zu verkommen. Wer die Arne-Dahl-Reihe mag, der wird auch mit „Springflut“ bestens bedient.

Die Serie bietet gehobene und durchgehend spannende Krimi-Unterhaltung mit intensiven Charakter-Zeichnungen. Ein Muss für alle Fans skandinavischer TV-Krimis und Thriller-Mehrteiler.