Lady Mechanika 1 (Comic)

Joe Benitez
Lady Mechanika 1
Das Geheimnis der mechanischen Leiche
(Lady Mechanika: The Demon of Satan’s Alley & The Mystery of the Mechanical Corpse 1-5, 2015)
Übersetzung: Jacqueline Stumpf
Splitter, 2017, Hardcover, 112 Seiten, 19,80 EUR

Rezension von Elmar Huber

1878: Eine angeblich halbmechanische Kreatur macht die Satan’s Alley in Mechanika City unsicher. Eine Meldung, die nicht nur Lady Mechanika, ebenfalls halb Mensch und halb Maschine, auf den Plan ruft, sondern auch den Rüstungsmagnaten Lord Nathaniel Blackpool, der das Wesen und dessen mechanische Modifikationen für Rüstungszwecke studieren will. Gerade noch erkennt Lady Mechanika, dass es sich bei der Kreatur um ein vernunftbegabtes Wesen handelt, das ihr sogar einige Antworten zu ihrer eigenen Vergangenheit liefern könnte, bevor es von einem übereifrigen Jäger Blackpools erschossen wird.

Ein Jahr später gelangt ein totes Mädchen, das ebenfalls mechanische Körpermodifikationen aufweist, auf dem Dach eines Zuges nach Mechanika City. Dr. Littleton, der ein Jahr zuvor noch für Lord Blackpool tätig war, wird zufällig Zeuge dieses Ereignisses. Grund genug für Lady Mechanika, den Doktor aufzusuchen. Und tatsächlich stoßen sie, Dr. Littleton und ihr brüderlicher Freund Lewis auf Spuren, die es zu verfolgen lohnt, will Lady Mechanika das Geheimnis ihrer eigenen Herkunft aufdecken.


Ältere Comicleser werden das Gefühl haben, dass sich mit der Veröffentlichung von „Lady Mechanika“ im Splitter Verlag ein Kreis schließt: Der ‚alte‘ Splitter Verlag brachte mit „Weapon Zero“ und „The Darkness“ seinerzeit einige Top-Cow-Serien nach Deutschland, in denen bereits der Name Joe Benitez auftauchte; nun veröffentlicht der ‚neue‘ Splitter Verlag einen weiteren Benitez-Titel. Doch wo früher, bei Top Cow, oftmals die Optik über den Inhalt gesiegt hat, kann man sich hier beruhigt - oder besser gespannt - zurücklehnen. Denn Joe Benitez bringt hier ganz gepflegt eine Steampunk-Mystery-Story ins Rollen, die zwar mit bekannten Elementen arbeitet, aber so flott und flüssig erzählt wird, dass keine Langeweile aufkommt.

Die alten Tugenden hat der Künstler natürlich beibehalten, sodass nicht nur die Lady selbst ein totaler Hingucker geworden ist. Mechanika, wie sie kurz genannt wird, überzeugt als sehr coole und geheimnisumgebene Hauptfigur, lässt aber auch genug Verletzlichkeit erkennen, um beim Leser Sympathie zu erzeugen. Dass die Gute sich nicht an ihre Vergangenheit erinnern kann - Mechanika wurde einst in einem unterirdischen Labor, inmitten von Leichenteilen gefunden -, geschweige denn an die Person, die sie zu einem ‚Cyborg‘ gemacht hat, bringt ein bewährtes Mystery-Element ein und bildet das Herzstück ihrer Motivation, mehr über das tote Halbmädchen herauszufinden.

Flankiert wird die kämpferische Lady von dem Gentleman-Doktor Littleton samt vorlautem Töchterlein und ihrem schwulen Vertrauten Lewis. Ein Erfinder, der eine gelungene Mischung von spitzzüngigem Humor, gepflegtem Dandytum und einer Portion Weltschmerz einbringt. Auf der Gegenseite tummeln sich der sinistere Lord Blackpool, der nach seinem ersten Zusammentreffen mit Mechanika ebenfalls technisch aufgerüstet werden musste, Commander Katherine de Winter, mit der Mechanika eine gemeinsame Vergangenheit teilt, und der ominöse „Ingenieur“, ein Chirurg, der offenbar für die bizarren Umbauten an Menschen verantwortlich ist. Zudem sind Gerüchte über schwarze Magie in Mechanika City in Umlauf.

Personen- und Handlungsmuster sind also nicht gerade neu, doch ist alles dermaßen temporeich, bildstark und mit dem passenden Quäntchen Pathos erzählt, dass man sich gern darauf einlässt. Und alle, die eine Schwäche für gutgebaute Frauen in Uniform haben, werden sich ebenfalls gut bedient fühlen. Dass Joe Benitez auch den Humor nicht zu kurz kommen lässt, macht „Lady Mechanika“ sogar noch sympathischer.

Das Ende dieses ersten Bandes entlässt den Leser gespannt wie einen Flitzebogen. Das ‚Team Mechanika‘ hat endlich eine vielversprechende Spur und ist einige Verbündete reicher.

Zeichnerisch fühlt man sich deutlich an die Top-Cow-Titel erinnert. Design und Darstellung von Kleidung, Rüstungen und Uniformen sind ausgesprochen detailliert und eine Mischung aus viktorianischer Mode und BDSM-Fetisch-Elementen; Bildhintergründe spielen kaum eine Rolle.

Zusätzlich zu den Nummern 1 bis 5 der Serie enthält der Band noch den Prolog „Der Dämon von Satan’s Alley“, der die weitere Handlung vorbereitet, ein sehr sympathisches Vorwort von Joe Benitez und zum Abschluss eine Cover-Galerie, die Mechanika noch mehrmals brillant in Szene setzt.

„Lady Mechanika“ 1 bietet phantastisches Steampunk-Mystery-Action-Abenteuer mit einer überragenden Titelheldin.