Doris E. M. Bulenda: Ein diabolischer Plan (Buch)

Doris E. M. Bulenda
Ein diabolischer Plan
Titelbild: Azrael ap Cwanderay
Hammer Boox, 2019, Taschenbuch, 170 Seiten, 9,95 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Elmar Huber

„Krachen, Scheppern und dann gewaltiger Lärm, als ein schwerer Gegenstand an die Wand geworfen wurde. Oh verdammt, die Verrückte spielte drüben in der Küche schon wieder ihr absolutes Lieblingsspiel - Geister vertreiben. Gleich würde sie hierher ins Wohnzimmer stürzen, wo ich versuchte, in Ruhe meine Hausaufgaben zu machen. Und dann würde sie mir wieder lang und breit erklären, welches Gespenst gerade versucht hatte, durch die Wand zu gehen und sie anzugreifen.“

Regelmäßig wird die 13jährige Eva ein Opfer der Wutausbrüche ihrer schizophrenen Mutter, die sich in der Familienwohnung von imaginären Geistern verfolgt sieht. Ohrfeigen sind noch das Harmloseste, wenn sie wieder einen ihrer Anfälle hat. Zwar hat Eva gelernt, sich anzupassen und die Wahnvorstellungen und das Misstrauen ihrer Mutter für ihre Zwecke auszunutzen, doch ist dies auf Dauer kein Zustand für das junge Mädchen. Allerdings stehen die Chancen, sie in eine Irrenanstalt abzuschieben, denkbar schlecht, zumal dafür Evas phlegmatischer Vater aktiv werden müsste.

Als sie aufschnappt, dass man durchaus an einem Schock sterben kann, reift in Evas Kopf ein Plan. Und als sich in ihrem Bücherei-Ausleihstapel neben den Fachbüchern zu Schizophrenie plötzlich noch ein Buch über Dämonenbeschwörung verirrt, nimmt ihr Plan konkrete Formen an.

Mit Hilfe des Unter-Teufelchens Bartholmes lässt sie ihre Mutter das Zeitliche segnen. Als Gegenleistung muss ihm Eva einen Nachmittag lang für Folter und Sex zur Verfügung stehen.

Nachdem die Leiche ihre Mutter offiziell aufgefunden wird, dreht ihr Vater so richtig auf. Dieser hat nur darauf gewartet, dass seine Frau endlich abkratzt, und Eva kommt unter der neuen Herrschaft vom Regen in die Traufe. Schon lange unterhält er ein Verhältnis mit einer Kollegin, das er nun offiziell zu machen gedenkt. Ein Plan, in dem Eva nicht vorkommt. So sieht sie sich schon als Mündel bei ihrer geizigen Patentante. Doch hat sie nun ein Teufelchen an der Hand, mit dem sich bestimmt auch dieses Problem lösen lässt.

„Die Lektüre, die ich mir diesmal ausgesucht hatte, war wirklich brauchbar. Dadurch erfuhr ich, dass man jemanden durchaus in den Schocktod treiben konnte. Oder dass man dessen innerste Ängste so verstärken konnte, dass er komplett durchdrehte. Wie das wohl bei einer verrückten Schizophrenen aussehen würde, wenn die zum Durchdrehen gebracht wurde? Das konnte auf jeden Fall interessant werden.“


Eines muss man Doris M. Bulenda und dem Roman unumwunden zugestehen: Man kann unmöglich vorhersagen, was auf der nächsten Seite passiert und welche Charakterzüge die Protagonisten plötzlich an den Tag legen.

Es beginnt schon mit Eva selbst, die gar nicht ausschließlich das bedauernswerte und hilflose Opfer ist. Wenn es ihr zu bunt wird, scheuert sie ihrer Alten selbst schon mal eine und schiebt dies den unsichtbaren Geistern in die Schuhe. Auch hat sie ihr Auskommen durch die vorsätzliche Ausnutzung der pädophilen Neigungen ihrer Lehrer. Ob die Kleine erst durch die Umstände zu einem derart berechnenden Biest wurde, wird nicht klar. Auf jeden Fall will sich kein Mitleid bezüglich Eva einstellen.

Die Story driftet unvermittelt und völlig zufällig ins Phantastische, sobald die Dämonenbeschwörung ins Spiel kommt. Dennoch eine Idee, die Eva gefällt, und der Tod ihrer Mutter ist ihr schon einen Nachmittag unter der Folter eines Dämons/Teufels wert. Das Covermotiv von Azrael ap Cwanderay deutet diese Szene an.

Immerhin behält das Mädchen keine bleibenden Schäden dieser Behandlung zurück, und man sollte zu diesem Zeitpunkt vielleicht gedanklich ausblenden, dass es um eine 13jährige geht. Umgekehrt hat der gar nicht so unsympathische Bartholmes einen Narren an seinem verruchten ‚Foltermädchen‘ gefressen und genießt diese Win-Win-Situation. Eva unterdessen muss erkennen, dass sie nun vor dem nächsten Problem, ihrem Vater, steht und ist gezwungen, einen weiteren Plan zu entwickeln.

Es fällt schwer, dem Roman einen Genre-Stempel aufzudrücken. Nicht nur, weil sich Drama, Fantasy und Erotik hier munter vermischen, sondern auch, weil sich die Geschichte einer klassischen Erzählstruktur verweigert und die Erwartungen, wie es denn weitergehen könnte, eigentlich durchgehend unterläuft. Wer sich also gern überraschen lässt, ist hier bestens bedient.

Die Sprache ist einfach, die Sätze sind kurz, sodass sich der Roman mit seinen 170 Seiten gerade so weg liest.

„Ein diabolischer Plan“ ist von vorne bis hinten eine überraschender Genre-Mix, der immer wieder die Erwartungen des Lesers unterläuft.