Erica Ruth Neubauer: Mord im Mena House (Buch)

Erica Ruth Neubauer
Mord im Mena House
dp Verlag, 2020, eBook, 4,99 EUR (auch als Taschenbuch erhältlich)

Rezension von Elmar Huber

„Wenn man ein exotisches Ziel für eine Reise aussucht, ist es ratsam, einen Ort zu wählen, an dem nicht schon die Luft versucht, einen umzubringen. Ich würde versuchen, mir das fürs nächste Mal zu merken.“

Ägypten, 1926: Im feudalen Mena House Hotel im Herzen Kairos kreuzen sich die Wege einiger sehr unterschiedlicher Menschen. Jane Wunderly, durch ihre Hochzeit in die High Society von Boston aufgestiegen, verbringt dort den Urlaub gemeinsam mit der Tante ihres verstorbenen Mannes. Der attraktive Geschäftsmann Redvers interessiert sich gleich auffallend für die Kriegswitwe, und gemeinsam beobachten sie das Treiben der Gäste.

Auffällig gebärdet sich unter anderem die junge Anna Stainton, die keine Gelegenheit auslässt, sich von windigen Typen Drinks ausgeben zu lassen und ihren Vater mir ihrem aufreizenden Verhalten zu brüskieren. Die Party hat ein Ende, als Anna erschossen in ihrem Zimmer aufgefunden wird.

Angefeuert durch ihre Beobachtungen und nicht ganz zufrieden mit den Ermittlungen des Kairoer Inspektors, beginnen Jane und Redvers selbst, dem Mord auf den Grund zu gehen.

„Wir bezogen am entfernten Ende der geschwungenen Bar Posten. Es war ein exzellenter Aussichtspunkt, um die übrigen Gäste zu beobachten, während sie auf die Terrasse traten und sich unter die Leute mischten. Eine Band machte sich in der Nähe der Bühne bereit, und ein Schwarm von Arbeitern räumte den Großteil der Tische von der Terrasse. Ich verspürte kurz Panik in mir aufsteigen, ob des Gedankens, Redvers könnte mich zum Tanzen auffordern. Ich schaute sehr gerne zu, aber wenn es um den Tanz selbst ging, gaben sich meine Füße stets unglaublich unkooperativ.“


Das wunderbar schmucke Cover zeigt schon sehr gut, was den Leser hier erwartet. Eine elegante und etwas altmodische ‚Hobby‘-Ermittlung an exotischer Stätte, zwischen kultivierten Gesprächen, vornehmen Cocktailstunden und Pyramiden-Besichtigungen, wie es Agatha Christie vorgemacht hat.

Man ist sofort mit Jane im vornehmen Mena House Hotel und beginnt, die anderen Gäste mit ihren Augen zu sehen: Abenteurer, Glücksritter, Scharlatane, Verliebte und diejenigen, die nicht alles auf den ersten Blick preisgeben. Natürlich ist es keine Überraschung, dass sich die etwas spröde Jane mit dem gutaussehenden und aufrechten Mannsbild Redvers zusammentut und schließlich, gegen ihren ursprünglichen Willen, Gefühle für ihn entwickelt.

Ihr zunächst sprödes Verhalten beginnt man, im Verlauf des Romans zu verstehen, ist Jane von ihrer vorgeblich so harmonischen Ehe doch empfindlich an Körper und Geist gezeichnet. Eine moderne, dunkle Nuance, die dem Roman einige Schattierungen und der Hauptfigur greifbar Tiefe verleiht und die es bei Agatha Christie so nie gegeben hätte. Jane Wunderly ist alles andere als ein unbedarftes Weibchen.

Die Charakter-Zeichnungen der sonstigen Personen sind kurzgehalten, funktionieren aber. Dazu kommen während der Ermittlungen noch einige Geheimnisse und Verbindungen ans Licht, die manche Personen plötzlich in einem neuen Licht zeigen. Sogar diejenigen, die Jane nahestehen.

Insgesamt hat Erica Ruth Neubauer einen straffen und doch angemessen stimmungsvollen Roman abgeliefert, der das Sujet des ‚klassischen‘ historischen Cozy Crime vor exotischer Kulisse bedient und dort einige moderne Strömungen einbringt. Eine angenehme Mischung aus Vorhersehbarkeit, was die grundsätzliche Struktur angeht, und überraschenden Entwicklungen. Zwar ist die Auflösung nicht so trickreich geraten wie bei Agatha Christie, doch hat die Autorin ein gewandtes und kurzweiliges erstes Abenteuer von Jane Wunderly abgeliefert. Der ‚Untertitel‘ ihres Internet-Auftritts - „The Jane Wunderly Mysteries“ - lässt darauf hoffen, dass weitere Abenteuer der Hobbydetektivin folgen. Dann darf auch gerne Mr. Redvers etwas mehr Profil bekommen.