Michael Schmidt & Achim Hildebrand (Hrsg.): Zwielicht 16 (Buch)

Michael Schmidt & Achim Hildebrand (Hrsg.)
Zwielicht 16
Titelbild: Björn Ian Craig
2021, Paperback, 340 Seiten, 14,00 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Dank des unermüdlichen Einsatzes der Herausgeber Achim Hildebrand und Michael Schmidt, erwartet den Freund der Horror-Kurzgeschichte zeitnah bereits die nächste Ausgabe des Weird-Fiction-Magazins „Zwielicht“. Gleich sieben Klassiker-Beiträge prägen das Bild und, um dies vorwegzunehmen, die sieben Geschichten zählen zu den Besten der Anthologie.

Darüberhinaus kann sich der Fan der unheimlichen Literatur erneut auf einen bunten Strauß an abwechslungsreichen Geschichten freuen - Erzählungen, die schocken, die verstören und verängstigen, aber auch Storys, die den Leser bewegen, anrühren und - ja auch angesichts der Skurrilität der beschriebenen Situation, erheitern.

Aber ist es nicht dies, was wir in den Horror-Texten jedweder Couleur suchen? Den Nervenkitzel, im sicheren Heim dem Bösen über die Schulter zu schauen? Nicht weniger als 18 erzählende Texte sowie zwei Artikel umfasst das Buch.

 

Max P. Beckers „Was auf seinem Date geschah“ stellt uns einen jungen Studenten vor, dessen Verabredung ihn mitten im Karneval auf den Friedhof entführt. Am Grabstein einer Unbekannten kommt es dann zu einer Heimsuchung der übernatürlichen Art.

John Lentzsch - „Abendmutter“: Ein Geschwisterpaar geht am Flussufer spielen. Dass sie dabei auf eine mysteriöse Frau stoßen, soll für eines der beiden Kinder tragisch enden.

David H. Keller - „Es kommt“: Der erste „Klassiker-Beitrag“ zeigt uns die Heimsuchung einer alten Mühle durch etwas, das sich seit Jahrzehnten durchs Erdreich bohrt.

Karin Reddemann - „Achtzehn Augen“: Hier begegnet uns ein Mann, der sein Leben durch seine Würfel bestimmen lässt - und wenn ein Pasch fällt, dann muss ein Opfer dran glauben.

J. J. Connington - „Abwehr-Mechanismus“: Der zweite Klassiker und für mich schlechthin der atmosphärisch dichteste Beitrag des Bandes. Erzählt wird die Geschichte eines eigenbrötlerischen Erfinders, der in einer verborgenen Höhle im Nirgendwo seine Forschungen an einer intelligenten Maschine vorantreibt - und dabei mehr Erfolg hat, als erwartet, sieht seine Schöpfung doch auch in ihm eine Bedrohung.

Erik Hauser - „Frau Strulle“: eine in einem Müllcontainer gefundene Puppe übt gar merkwürdige Einflüsse auf die Kinder, die sie aufgefunden haben, aus - Einflüsse der bösen, der bedrohlichen Art.

Dominik Grittner - „Der kletternde Heinrich“: es ist doch schön, einen unsichtbaren Begleiter zu haben - doch wehe, wenn der eifersüchtig wird.

Arthur Machen - „Der Rosengarten“: Nach der erweiterten Neuausgabe seiner Werke im Elfenbein Verlag verbleiben nur wenige Fragmente Machens, die bislang noch nicht ins Deutsche übersetzt wurden. Frank Duwald nimmt sich dieser an und legt hier ein erstes, kurzes Beispiel vor.

Julia Annina Jorges’ „Im Bus“ berichtet uns von einer morgendlichen Busfahrt, die etwas anders abläuft, als gewohnt und erwartet…

Tobias Lagemanns „Und Smyril sei dein Name“ berichtet uns über die Auswirkungen, die die Öffnung eines antiken Grabes auf einer kargen, britischen Insel für die Forscher wie Anwohner hat.

Algernon Blackwoods „Die Flüsterer“ zeigt uns einen Autor, Verfasser von Geschichten, der sich zum Schreiben in eine einsame Mansarde zurückzieht - und Inspirationen der beängstigenden Art bekommt.

Mary Ann Dark - „Bande“. Die Story zeigt uns eine Patientin, die im Koma ihrem Ende entgegen dämmert - sie erinnert sich an ihre Jugend, die Heimsuchung durch die Stiefmutter und den Papa - der ebenfalls in dieser Klinik untergebracht ist.

William Chambers Morrow – „Eine Nacht mit dem Tod“: Die Wacht am Bett eines Sterbenden wird für den Freund zu einer Begegnung mit einem Ereignis, das er vergessen wollte, vergessen musste - ein weiterer Klassiker, der auch heute noch die Kraft hat, den Leser in seinen grausam-realistisch beschriebenen Bann zu ziehen.

J. H. Schneiders „An der Ziegelsteinstraße“ war für mich von den aktuellen Beiträgen der beeindruckendste. Schneider stellt uns zwei Frauen vor: die eine kann mittels ihrer Gabe Pfade in die Vergangenheit aufspüren, Menschen in die Zeit zurückführen. Die längst vergangenen Geschehnisse lassen sich nicht mehr ändern, wohl aber kann der Besucher aus der Zukunft selbst von damals Handelnden auch körperlich verletzt werden - wie die Frau, die den Mord an ihrem Mann zusehen und verhindern will, am eigenen Leib erfahren muss. Kräftig, voller bildhafter Beschreibungen und gleichzeitig anrührend, dieser Beitrag!

Christophe Nicolas’ „T-Shirts“ zeigt uns den unheiligen Einfluss einer Katze, die einem Familienvater, dessen Frau ihn verlassen wird, dazu anstiftet…

Maurice Duclos - „Der Monsterzüchter“: Wieder ein Klassiker, und wieder: Wow! Ein Hobbyforscher will beweisen, dass auch die Röntgenstrahlung zur Evolution beigetragen hat. Sein Experiment mit und an Einzellern lässt diese nicht nur ins Riesenhafte anwachsen, sie vermehren sich auch - statt Ruhm und Reichtum droht ihm nun das Schicksal, die Menschheit vernichtet zu haben, oder?

Ansgar Samedhis „Die Normalität der Hölle“ entführt uns in die gleichnamige Unterwelt - eine Hölle aber, in der unser Menschlein vom Teufel vor eine unmögliche Wahl gestellt wird - welches seiner Kinder doch lieber die Ehefrau soll er der Folterung aussetzen?

Bernd Jooß’ „Im Schützengraben“ zeigt uns einmal mehr die Grauen des Krieges, in dem die Toten nicht ruhen sondern aktiv in den Kampf miteingreifen.

Zwei Artikel runden den Band ab:
Ralf Steinberg: „Michael Marrak - Der Herr des Wandels“
Karin Reddemann: „Mord auf dem Kiez, Schleim in Pennsylvania und Hexen in der Nachbarschaft“


Alles in allem ist „Zwielicht“ 16 ein sehr abwechslungsreicher Band, der dem Leser wieder jeder Menge Stoff anbietet, der aufrüttelt, der gruselt und der unterhält, dabei, wie gewohnt alles stilistisch ansprechend ohne Durchhänger. Wie bereits erwähnt haben mich insbesondere die Klassiker und auch J. H. Schneiders Beitrag besonders angesprochen, Andere mögen ihre Leseschwerpunkte bei den vielen anderen Beiträgen finden. Die Lektüre lohnt sich auf jeden Fall.