Tim Rose: Fremdgehen (Buch)

Tim Rose
Fremdgehen
Der Reiz des Unbekannten...
Blue Panther Books, 2021, Hardcover, 120 Seiten, 12,90 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Irene Salzmann

Von Tim Rose sind bei Blue Panther Books die Ratgeber „Fetisch“, „Tinder für Männer“ und „Fremdgehen“ erschienen. Sie wenden sich in erster Linie an Männer, geben aber auch Frauen Auskunft, wie ihr Partner möglicherweise ‚tickt‘. Was man nun ausgerechnet von einem Buch halten soll, das Tipps für Seitensprünge gibt, muss jeder mit sich selbst ausmachen, denn zweifellos wird so Mancher wenig begeistert darüber sein, wenn Untreue bagatellisiert und das persönliche Vergnügen über die Gefühle des betrogenen Partners gestellt werden, gerade auch in Hinblick auf AIDS und andere (Geschlechts-) Krankheiten.

Freilich gibt es Paare, die eine sogenannte offene Beziehung führen und sich unter Einhaltung von mehr oder minder konkreten Regeln andere Partner für den Spaß suchen, doch ob das wirklich immer einvernehmlich geschieht, jeder glücklich ist und bekommt, was er sich wünscht, und nicht etwa einer dem Drängen des anderen nachgibt, um die Beziehung zu retten, falls sie überhaupt eine Zukunft hat, steht auf einem anderen Blatt.


Der Autor geht zunächst der Frage nach, ab wann man überhaupt von „Fremdgehen“ spricht. Die Grenzen zieht jeder individuell. So mag man erotische Träume und Phantasien, die auf andere Personen projiziert werden, meist hinnehmen, doch bereits heftiges Flirten kann verletzen und im Falle von Sex, selbst wenn es ‚nur‘ ein One Night Stand war, die Grenze des Tolerierbaren überschreiten. Das Vertrauen ist zerstört, infolgedessen meist auch die Partnerschaft, vielleicht die Familie.

Desweiteren listet Tim Rose verschiedene Gründe, weshalb jemand - hier: ein Mann - seine Bedürfnisse außerhalb der Partnerschaft zu befriedigen sucht.

Die Bandbreite reicht von vorsätzlichen beziehungsweise geplanten Seitensprüngen, getrieben vom Thrill, Verbotenes zu tun, über die Begierde, mit immer neuen Personen unverbindlichen Sex zu haben und sich (im Alter) als ‚toller Hecht‘, der jede haben kann, zu beweisen, bis hin zum Ausleben von Praktiken, die man der Ehefrau nicht zumuten will, und zu verheimlichter Homosexualität.

Ferner gibt es das, oft mit einem schlechten Gewissen verbundene, spontane Fremdgehen, das in einer (Ausnahme-) Situation geschieht, wenn Alkohol enthemmt, sich unverhofft die Möglichkeit bietet und dem Reiz nicht widerstanden werden kann oder eine kurze Verliebtheit die Sinne benebelt.

Überdies stößt man auf Männer, die nicht beziehungsfähig sind, die sich gar nicht festlegen/binden wollen, die aus einer klammernden Beziehung ausbrechen möchten oder konsequent ein Doppelleben anstreben, indem sie eine ‚Haushälterin‘ heiraten, von der sie sich versorgen lassen, während für das Vergnügen wechselnde Gespielinnen zuständig sind.

Manche Frauen sind zunächst ahnungslos und reichen die Scheidung ein, wenn die Fehltritte auffliegen; andere sehen weg und dulden das Treiben, um nicht verlassen zu werden; wieder welche sind froh, nicht zu unangenehmen Praktiken gezwungen zu werden; und andere sehen darin den Freibrief, sich ob der Vernachlässigung von einem anderen trösten zu lassen, sprich, sie kehren den Spieß um, mitunter sehr zum Verdruss des gehörnten Partners.

Nach dem Beleuchten der Hintergründe folgen die Tipps, die an jene adressiert sind, die Affären trotz funktionierender Partnerschaft suchen, allen möglichen negativen Folgen zum Trotz.


An sich erfährt man kaum mehr, als das, was man selbst vermutlich schon intuitiv an Vorsichtsmaßnahmen berücksichtigen würde, um keinen Verdacht zu erregen oder vage Ahnungen der Freundin oder Ehefrau zu zerstreuen.

Ganz aktuell sind die Hinweise zu den digitalen Spuren, die man hinterlässt und an die man womöglich nicht gleich denkt: die Benutzung der Kreditkarte und des gemeinsamen Kontos, unbekannte Anrufer auf dem Handy, verdächtige Browserverläufe bzw. deren Löschung - um einige Beispiele zu nennen. Abhilfe liefern dann unter anderem Zweitkonten, -handys und -PCs, die am besten vom Büro aus verwaltet werden, das Verschweigen des Echtnamens und der Adresse auf Partnerbörsen und Treffen, sowie ein Vertrauter, der manche finanzielle Transaktionen, Hotel-Buchungen und Abwesenheits-Alibis übernimmt.

Natürlich kann es trotzdem schiefgehen, falls eine Gespielin mehr als nur ein Abenteuer will oder man sich mit dem hilfreichen Freund zerstreitet und jene den Untreuen unter Druck setzen.

Was in Filmen und Büchern verharmlost, ja, verbrämt wird und scheinbar funktioniert - die geheimen, nie entdeckten spannenden Seitensprünge oder das große Verzeihen und von nun an tollen Sex mit der Partnerin -, wird in der Realität kaum so ablaufen, was sich jeder bewusst machen sollte.

Man muss schon über eine enorme Abgebrühtheit verfügen, gerissen und gewissenlos sein, um so etwas über längere Zeit durchzuziehen und den Partner derart zu täuschen, wobei der Familie auch finanzieller Schaden zugefügt wird, da ihr die Gelder vorenthalten werden, welche für den persönlichen, gewiss kostspieligen Spaß abgezweigt werden.

Hat man doch noch ein Gewissen, sollte man vor der Tat überlegen, ob es das kurze Vergnügen wirklich wert ist, vielleicht Frau und Familie zu verlieren, gesellschaftlich und finanziell ruiniert zu werden - rät am Schluss Tim Rose, um dem Ratgeber einige halbwegs versöhnliche Worte für die Skeptiker mitzugeben.

Aufgrund der Thematik, unabhängig von Informationsgehalt und Vermögen des Autors, diesen zu vermitteln, ein fragwürdiges Buch. Es ergänzt die wachsende Bibliothek der Ratgeber bei Blue Panther Books, dürfte aber die Moralvorstellungen vieler verletzen - und ob man wirklich eine Anleitung zum „Fremdgehen“ braucht, gar empfehlen soll, werden wohl nur wenige bejahen.