Dee Lyster: Zügellose Geilheit (Buch)
- Details
- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 09. Januar 2022 12:02
Dee Lyster
Zügellose Geilheit
Blue Panther Books, 2021, Taschenbuch, 168 Seiten, 12,90 EUR (auch als eBook erhältlich)
Rezension von Irene Salzmann
Unter dem geschlechtsneutralen Pseudonym Dee Lyster (‚die Lüster[ne]‘) vermutet man zunächst eine Autorin, doch schon nach wenigen Zeilen wachsen die Zweifel, nicht nur weil die sieben Storys - eine achte, „Spiel im Swingerclub“, kann kostenlos im Internet über den beigefügten Code abgerufen werden - überzeugend aus männlicher Sicht erzählt werden, sondern auch weil trotz ungewöhnlich starker Reflexion der Ton zu harsch, hart, heftig (Dirty Talk) für die meisten Frauen ist. Tatsächlich liegen von dem Autor bei Blue Panther Books bereits mehrere Titel vor, in die offenbar auch persönliche Erfahrungen eingeflossen sind.
„Die verführerische Lehrerin“ verdonnert wieder einmal einen aufsässigen Schüler zum Nachsitzen. Obwohl sie eine alte Schachtel ist, hat sie sich gut gehalten und trägt aufreizende Kleidung, die ihre Wirkung nicht verfehlt, was nicht unbemerkt bleibt.
Was auch immer „Die dominante Gräfin“ von ihren zwei Angestellten fordert, die beiden sind glücklich, ihr jeden Wunsch erfüllen zu dürfen. Als ein Gast eingeladen wird, keimt die Eifersucht, doch möchte keiner der beiden diese Erniedrigungen erfahren.
Als der Jüngling einen Porno im Zeitschriftenregal des kleinen Supermarkts entdeckt, überkommt ihn „Obsessives Verlagen“. Er muss das Magazin unbedingt haben. Was er sieht, lässt ihn nicht los und bestimmt sein weiteres Leben.
Die drei wilden, jungen Männer leben frei nach dem Motto „Sex, Drugs and Rock’n‘ Roll“, bis einer von ihnen bei einem Autounfall stirbt. Der Schock sitzt so tief, dass die Freunde ihr Leben ändern. Im Nachhinein bedauert der Erzähler, der nichts hat anbrennen lassen, all die Fehler, die er nicht mehr korrigieren kann.
Bis „Die perfekte Verführung“ stattfindet, muss sich der Protagonist eine ganze Weile gedulden.
Der gutsituierte, ältere Arzt mit der jungen, attraktiven Frau weiß, dass er sie sexuell nicht mehr ausreichend befriedigen kann. Da er ihrer Liebe und Treue sicher ist, fordert er während eines Wellness-Urlaubs einen gutaussehenden Personaltrainer auf: „Mach es mit meiner Frau“.
Während eines Familienurlaubs auf dem Bauernhof sorgen „Drei Männer für die Magd“ und dafür, dass alle Beteiligten viel Spaß haben. Zwar quält den Gast danach ein schlechtes Gewissen, doch seine Frau, die seit der Geburt des zweiten Kindes kein Interesse mehr an Sex hat, überrascht ihn.
Was auffällt, ist, dass verschiedene Altersgruppen und berufliche/gesellschaftliche Milieus berücksichtigt werden. Zwei Mal steht ein pubertierender Schüler im Mittelpunkt, der in einem Fall erste erotische Erfahrungen bei einer älteren Lehrerin sammelt, sich im anderen von einzelnen besonders guten Fotos eines Porno-Models beeindrucken lässt. Den Gegenpol bildet quasi der alternde Arzt, der sich bei seiner Frau für deren Liebe und Treue bedankt, indem er ihr in seinem Beisein einen jungen Liebhaber gewährt. Die Gräfin dominiert neben ihren beiden Bediensteten einen älteren Arzt, der jedoch nur eine Nebenrolle einnimmt, da der Fokus auf dem Erzähler liegt, einem Mann mit bewegtem Leben, genauso wie die Hauptfiguren aus dem Rocker- und dem Kampfsport-/Security-Milieu. Einige von ihnen werden genauso treusorgende Familienväter wie der Urlauber, der das frühere sexuelle Aktivsein seiner Frau vermisst.
Die Geschichten sind in Österreich angesiedelt, was für die Handlung bedeutungslos ist. Auffallend ist wirklich, dass die Protagonisten vergangene Taten, vor allem gegenüber Frauen, hinterfragen und Reue zeigen, wenn sie Menschen verletzt haben. Ihnen ging und geht es oft nur um die Befriedigung ihrer Triebe, zunächst eher rücksichtslos, später auch das Wohl der Partnerin(nen) berücksichtigend, meist dominant und seltener devot, ausnahmsweise die Bedürfnisse der Familie und Ehefrau an erste Stelle rückend. Die Charaktere entwickeln sich mit der Zeit weiter. Damit dieser Aspekt nicht zu viel Raum einnimmt, gibt es jede Menge Sex, der drastisch beschrieben wird (Dirty Talk) und viele Facetten bietet, darunter Oral, Anal, Gangbang, Natursekt.
Das Mystery-Element ist auf „Die dominante Gräfin“ und dort auf den ‚Schluss-Gag‘ begrenzt, von daher vernachlässigbar.
Aufgrund dessen eignet sich der Band eher nicht für eine romantische Leserschaft, der es vor allem um Gefühle geht. Einige Szenen sind schon sehr hart, auch die Praktiken dürften wortwörtlich nicht jedermanns Geschmack treffen, sodass man vor dem Kauf am besten einen Blick in das Buch werfen sollte, ob man mit dem Inhalt zurechtkommt. Der Autor schreibt zwar unterhaltsam, doch wie seine Protagonisten mit ihren Frauen umgehen, wird sicher nicht von jeder Leserin toll gefunden. Ob das männliche Publikum das anders sieht?