Naomi Novik: Drachenflamme – Die Feuerreiter Seiner Majestät 6 (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 06. November 2010 16:01
Naomi Novik
Drachenflamme – Die Feuerreiter Seiner Majestät 6
(Tongues of Serpents)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Marianne Schmidt
Titelillustration von Kerem Beyit
Penhaligon, 2010, Paperback mit Klappenbroschur, 414 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-7645-3016-7
Von Carsten Kuhr
Naomi Noviks Reihe um die Feuerreiter Seiner Majestät hat sich von den ersten Anfängen im Sinne eines „Hornblower mit Drachen“ zwischenzeitlich zu einer faszinierenden Weltenschöpfung entwickelt. Als gelungener Mix aus Militärgeschichte, Drachenfantasy und Abenteuerroman entführt uns die Autorin in die Napoleanische Ära, in der die intelligenten Drachen als Kriegswaffen auf beiden Seiten in den gefährlichen Kampfeinsatz geschickt werden.
Nachdem Laurence und die Drachin Temeraire im letzten Teil der Reihe Napoleon zu einem Heilmittel gegen die grassierende Drachensuche verholfen haben, wurden sie unehrenhaft aus dem Dienst des Korps ihrer Majestät entlassen. Nur dem tatkräftigen Eingreifen der Leiterin der Drachenkorps und seinen heldenhaften Verdiensten im Kampf um England hat Laurence es zu verdanken, dass er nicht wegen Verrat am Strick baumelt.
Um den Rebellen, der immer wieder durch seine Forderungen nach Gleichstellung der intelligenten Drachen, nach Selbstbestimmung und Achtung der Lindwürmer für Aufregung unter den Kommissköpfen sorgt, stillzustellen, wird er, zusammen mit den Eiern dreier noch ungeschlüpfter Drachen, nach New South Wales deportiert. Hier, in der Strafkolonie von Down Under, soll er gegen die französischen Kaperschiffe Präsenz zeigen und den Gouverneur Bligh (ja den früheren Kapitän der HMS „Bounty“) unterstützen. Dass dieser von der Rum Kompanie abgesetzt wurde bringt Laurence fast ebenso in Bedrängnis wie die Ankunft des verhassten Drachenreiters Rankin, der hofft, sich einen der ausschlüpfenden Drachen gefügig machen zu können.
Um den Anfeindungen und Manipulationsbemühungen zu entgehen, übernimmt Laurence die Aufgabe, einen Weg durch die die Bucht umschließenden Blauen Berge zu suchen. Kurz darauf wird eines der wertvollen Dracheneier gestohlen – die Spur führt ins unbekannte Landesinnere. Hier, im Outback, stoßen Temeraire und Laurence auf alte Bekannte, die eigentlich gar nicht hier sein dürften – die Chinesen haben mitten in der englischen Kolonie einen Stützpunkt angelegt. Und wieder steht Laurence vor der mehr als schwierigen Entscheidung, ob er seinem Gewissen folgt, oder der Pflicht den Vorzug gibt ...
Was als simples Abenteuerbuch um Drachen und ihre stolzen Reiter begann, das hat mittlerweile einen weiten Weg hinter sich gebracht. Statt nur noch von Luftkämpfen der aufrechten Briten gegen die skrupellosen Franzosen um Napoleon zu berichten, hat Naomi Novik ihre Welt ständig weiter ausgebaut. Der Ferne Osten wurde erkundet, wilde Drachen eingeführt, die Frage um Selbstbestimmung und Gleichberechtigung der Lindwürmer thematisiert und auch immer wieder die Frage des ehrhaften Handelns angeschnitten. Soll, ja, muss man unsinnigen Befehlen gehorchen, oder gibt das eigene Gewissen als übergeordnete Instanz die Richtschnur des Handelns vor? Entsprechend diesen Vorgaben hat die Autorin, verklausuliert natürlich, zu Nationalismus ebenso Stellung bezogen wie zu blindem Obrigkeitsdenken oder den Automatismen des Krieges, und auch ihre Personen haben sich entsprechend fortentwickelt. Inzwischen ist Temeraire ein gleichberechtigter Partner, aus den humorvollen Dialogen der beiden so ungleichen Freunde entwickelt sich die Handlung temporeich fort. Angereichert hat die Autorin die Handlung mit einigen wenig bekannten historischen Tatsachen, wie etwa der Rum Revolution und der glaubwürdigen Zeichnung der Zustände in der Strafkolonie. Demgegenüber bleibt Australien als farbenprächtiges und exotisches Setting weitgehend ungenutzt. Gerade die Besonderheiten des fünften Kontinents in Bezug auf dessen Flora und Fauna, aber auch die landschaftlich oft skurrilen Wahrzeichen bleiben weitestgehend außen vor. Hier hat die Autorin viel Potential verschenkt.
Die Handlung selbst bietet überraschend wenig Dramatik. Ich hatte immer ein wenig das Gefühl, dass sich Novik hier zunächst den Boden für den folgenden Titel bereitet hätte. Das große Finale steht also noch aus.
Erneut sei noch ein lobendes Wort zu der wirklich passenden äußeren Gestaltung des Buches erlaubt. Penhaligon hat mit der schuppigen Oberflächenprägung und dem farbenprächtigen Cover wieder einen aufsehenerregenden Blickfang geschaffen, der Käufer und Interessenten förmlich zum Buch zieht.