Nika S. Daveron: Allein durch die Sterne (Buch)

Nika S. Daveron
Allein durch die Sterne
Piper, 2021, Taschenbuch, 272 Seiten, 10,00 EUR (auch als eBook erhältlich))

Rezension von Gunther Barnewald

Dieses kleine Taschenbuch einer jungen deutschen Autorin ist ein absoluter Widerspruch in sich und extrem ambivalent zu bewerten. Denn einerseits erzählt es eine schöne, gar nicht schwülstige oder seifige Liebesgeschichte auf eine für eine junge Autorin überraschend reife und stilistisch brillante Art, andererseits ist der Inhalt der Erzählung dermaßen unglaubwürdig, an den Haaren herbeigezogen und unrealistisch, dass man aus dem Kopfschütteln als Leser kaum heraus kommt.


Doch zunächst einmal zum Inhalt: Die junge Ariadne Martell lebt in Lille in Frankreich und ist gerade dabei, ihr langweiliges Studium hinzuschmeißen, ohne einen Plan B zu haben. Als sie mit Freundinnen Badminton spielen gehen will, verschwindet plötzlich die Menschheit von diesem Planeten, abrupt und ohne Vorwarnung, und ohne dass die junge Frau eine Erklärung dafür finden würde.

Zum Glück laufen aber Strom, Wasser und Internet einfach weiter; auch die Haustiere scheinen nicht tangiert von dem seltsamen Phänomen. So entdeckt Ariadne, dass sie nicht alleine auf der Welt ist, denn ein junger Mann namens Sanghyun in Shanghai hat auch überlebt und die beiden nehmen per Internet Kontakt zueinander auf. Da sie sich sympathisch finden, beschließen sie, die Entfernung von 9000 Kilometern zu überbrücken und sich in der „Mitte“, im russischen Jekaterinburg, zu treffen. Also macht sich die junge Frau mit ihrer Katze und einem gefundenen Dackel auf den Weg, die 4500 Kilometer zu bewältigen...


Es ist natürlich eine absolute Wohlfühl-/Luxuswelt, die hier beschrieben wird, denn solange das Internet und somit Ariadnes Handy funktionieren, ist die junge Dame obenauf. Egal ob Google Maps oder anderes, alles ist easy, so lange die junge Generation nur das Internet hat. Zwar drohen manchmal Stromausfälle, und bei Ariadnes Reise durch Deutschland natürlich viele „Funklöcher“, aber hey, im Endeffekt ist alles robust und hört nicht auf zu funktionieren! Ein Untergang der Zivilisation sozusagen „de Luxe“. Damit hat die junge Autorin wohl den romantischsten und luxuriösesten „Weltuntergang“ aller Zeiten gestaltet (und den unglaubwürdigsten!).

Noch unrealistischer ist nur die allerletzte Wendung im Buch, die „Aufklärung“ der seltsamen Geschehnisse (die aber hier nicht verraten werden soll; nur so weit: SF ist dies keine mehr, dafür aber eine umso größere Enttäuschung!). Auch die wenigen Angriffe von inzwischen verwilderten Hunden erscheinen zu harmlos und zu selten.

In puncto Realismus ist dieses Buch ein Rohrkrepierer und gar kein wirklicher Post-Doomsday-Roman.

Das große Plus der vorliegenden Geschichte sind aber die beiden sympathischen Protagonisten, die dichte Atmosphäre, die wunderbaren Beschreibungen der Autorin und die (trotz fehlender Glaubwürdigkeit) spannende Handlung. Es macht einfach unglaublichen Spaß, Ariadnes Expedition durch eine menschenleere Welt bis nach Russland zu folgen. Besonders hervorzuheben sind die geglückten bildlichen Beschreibungen der Autorin Nika S. Daveron von der menschenleeren, verfallenden Welt. Wirklich großartig!

Was der Autorin an Realismus mangelt, macht sie durch Kunstfertigkeit wett, und so ist „Allein durch die Sterne“ schlussendlich zwar inhaltlich völliger „Dummfug“, aber trotzdem hochgradig amüsant zu lesen, da es eine bunte und bildreiche Geschichte erzählt, die man einfach wunderbar genießen kann, wenn man den Verstand einfach mal ausschaltet und nur den „Bauch“ befreit „schlemmen“ lässt.

(Wer sich für das Thema Post-Doomsday-Roman interessiert, sei auf meine Besprechungen von Adrian J. Walkers Roman „Am Ende aller Zeiten“ oder Simon Stålenhags Buch „The electric state“ verwiesen, die beide eine Liste von 30 empfehlenswerten Geschichten zu diesem Sujet enthalten)