Menna van Praag: Die Schwestern Grimm (Buch)

Menna van Praag
Die Schwestern Grimm
(The Sisters Grimm, 2020)
Übersetzung: Anu Katariina Lindemann
Heyne, 2021, Paperback, 608 Seiten, 17,00 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Sie leben unter uns, die Kinder Wilhelm Grimms. Nun kennen wir den Namen Grimm von den Brüdern Grimm - doch dieser vielfache Vater ist weit mehr, als ein Märchen-Chronist. Er ist ein Dämon dessen Plan es ist, sich die Welt untertan zu machen. Dabei geht der Dämon mit Akribie und zynischer Brutalität vor. Nicht etwa, dass er seine Kinder schützt und hegt, nein, er jagt diese einander auf den Hals.

Die männlichen Abkömmlinge, Erleuchtete wie sie genannt werden, sind dazu angehalten ihre Halbschwestern zu jagen und zur Stecke zu bringen - dauerhaft versteht sich. Wenn der Mond im ersten Viertel ist, um genau 3.33 Uhr, öffnen sich für die Jäger die Tore nach Everwhere, dem Ort, an dem sich die Grimm-Schwestern sammeln.

Dies ist die Geschichte von vier der Schwestern und einem ihrer Häscher. Während die Grimm-Schwestern in unserer Dimension weilen, erinnern sie sich nicht an ihre Besuche in Everwhere, ahnen nichts von ihrer väterlichen Mission. Das Quartett - Goldie, Bea, Liyana und Scarlet - haben von ihrem Erzeuger jeweils die Macht über eines der Elemente verliehen bekommen. Nur nutzt ihnen dies im Alltag recht wenig.

Goldie arbeitet in einem etwas in die Jahre gekommenen Luxus-Hotel als Zimmermädchen und versucht, ihren jüngeren Bruder trotz der finanziellen Misere behütet aufzuziehen. Dass im Hotel seit Kurzem mit Leo einer ihrer Brüder residiert, erweist sich als schicksalhaft - erkennt dieser seine Halbschwester doch und hat sie als neues Jagdziel auserkoren. Bea studiert in Cambridge und nutzt ihre lasziven Fähigkeiten, um ihren Weg zu gehen und die innere Unzufriedenheit zu dämpfen. Liyana soll, um den finanziellen Absturz der Familie aufzuhalten, in eine Ehe gezwungen werden und Scarlet versucht als Cafe-Betreiberin die Konkurrenz einer in unmittelbarer Nachbarschaft eröffneten Starbucks-Filiale zu überstehen.

An ihrem bevorstehenden achtzehnten Geburtstag müssen sie sich entscheiden: Werden sie die Pläne ihres Vaters umsetzen, oder ihren eigenen, schweren Weg suchen?


Die Brüder Grimm kennt man. Wenn nun eine Autorin diesen Begriff in ihrem Titel verwendet, dann erwartet der Leser, dass er sie auch kennenlernen darf - zumindest aber, dass sie eine gewisse Rolle spielen. Nicht so bei van Praag. Bei ihr gibt es nur einen Dämon, nämlich Wilhelm; sein Bruder taucht im Plot nicht auf - oder ich habe ihn komplett überlesen?

Nun könnte man dies noch als künstlerische Freiheit durchgehen lassen, wenn uns die Verfasserin wenigstens packend an die Seiten fesseln würde. Nur ist eben dies leider nicht der Fall.

In sehr kurzen Kapiteln springt die Handlung zwischen den vier Schwestern und Leo hin und her, dass wir kaum eingelesen schon wieder Schauplatz und Protagonisten wechseln dürfen. Nun könnte man annehmen, dass diese häufigen Perspektivwechsel zumindest dafür sorgen würden, dass man Erzähler und die Grundanlage der Handlung besser und umfassender kennenlernen würde, doch auch hier bleibt die Autorin sehr an der Oberfläche. Das sind Charaktere aus dem Setzkasten, voller Stereotype, ohne wirkliche Faszination.

All dies führt dazu, dass sich der Handlungsfortschritt zieht. Sprich, auch wirklich spannend wird es erst im dann viel zu schnell abgehandelten Finale.

Das Beste, was man über dieses Buch sagen kann ist der Hinweis auf das wirklich gelungene, ein Motiv der Handlung aufgreifende Cover. Dies ist sehr stimmungsvoll, macht auf den Inhalt neugierig - der aber letztlich leider enttäuscht.