Charles Platt: Die Weltenschöpfer - Band 1 (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Freitag, 26. November 2021 13:28
Charles Platt
Die Weltenschöpfer - Band 1
(Dream Makers, 1980, 1983, 2021)
Übersetzung: Frank Böhmert, Andreas Fliedner, Horst Illmer u.a.
Titelbild: Benswerk
Memoranda, 2021, Paperback, 356 Seiten, 19,90 EUR (auch als eBook erhältlich)
Rezension von Carsten Kuhr
Memoranda ist ein besonderes Verlagshaus. Hinter dem Verlag steht insbesondere Hardy Kettlitz, der dem Leser Bücher offeriert, die sonst in der auf Profitstreben ausgerichteten Verlagslandschaft keinen Platz gefunden hätten. Bücher, die interessant, die erhellend, ja faszinierend zu lesen sind, aber eben auch Bücher, die keine wirklich breite Kundschaft an die Kassen der Buchhandlungen ziehen.
Seien es die drei Bände um die Geschichte der Hugo Awards, die SF- Personality-Reihe oder die Steinmüller-Werksausgabe, um nur ein paar der Projekte zu nennen; die Klappenbroschuren (manches Mal bei Romanen ergänzt um eine limitierte Hardcover-Ausgabe) bieten dem Interessierten viel Neues und Wissenswertes.
Was mich zu vorliegendem Buch bringt, dem ersten von drei Bänden. In seinem extra für diese Ausgabe verfasstem Vorwort, erläutert Charles Platt, dass er in den 80er Jahren die bekanntesten Autoren der SF der 50er und 60er Jahre aufsuchte, um diesen im Gespräch näher zu kommen.
Was er nun vorlegt, sind keine klassischen Interviews. Oh nein, aneinandergereihte Frage-Antwort-Aufzählungen sucht man vergebens - und das ist sehr gut so! Stattdessen schildert Platt uns in der extra für die deutsche Neuausgabe (ein Teil, ca. ein Drittel wurde bereits lange vergriffen in den 80er in Deutsch veröffentlicht) überarbeiteten Fassung seine ganz persönlichen Eindrücke von den Verfassern, die er besuchen durfte. Und er hat außer Robert A. Heinlein und Ursula K. LeGuin alles dabei, was Rang und Namen hat.
Das Faszinierende an diesen Streiflichtern, die der Verlag dankenswerterweise mit der Abbildung der berühmtesten Titelbilder der entsprechenden Veröffentlichungen ergänzt hat, sind die unverfälschten Eindrücke von den fast 60 Menschen, die Platt begegnete, die er in seinen Portraits festgehalten hat.
Simple Daten, selbst übliche Interview-Fragen - und aus Erfahrung kann ich sagen, dass sich die Fragen einem gewohnten, immer gleichen Katalog entnehmen lassen - lassen sich in Zeiten des Internets problemlos finden. Doch diese Momentaufnahmen bringen uns vielleicht das jeweilige zum Zeitpunkt des Interviews aktuelle Werk des Autors näher; was sich aber hinter dem Namen versteckt, wie dieser zu seinem Werk steht, erfährt man nicht.
Ganz anders bei Platt. In Artikelform berichtet er uns von seinen Gesprächen, schildert uns die Umgebung - zumeist das Heim des Interviewten -, lässt diesen selbst in Zitaten zu Wort kommen, versucht uns aber den Menschen hinter dem Namen vorzustellen. Dabei verschließt er nie die Augen von den negativen Seiten: Isaac Asimovs bekannte Unsitte, sich Damen sexuell aufzudrängen wird ebenso gestreift, wie A. E. van Vogts Scientology-Tätigkeit, oder die aufbrausende, ja gewalttätige Art Harlan Ellisons.
Es sind sehr persönliche Berichte, in denen Platt die gar nicht erst versucht objektiv zu bleiben, sondern immer auch durchscheinen lässt, wie der Mensch auf ihn gewirkt hat. Dabei hat der Interviewer immer wieder versucht eine Verbindung zu seinem jeweiligen Gesprächspartner aufzubauen - mit manchen hat ihn eine Freundschaft verbunden, andere lagen ihm nicht so.
Auf diese Weise bekommen wir einen sehr intimen Einblick in das Wesen des Autors, dessen Bücher wir lieben. Platt beschränkt sich ganz bewusst auf Science-Fiction-Verfasser. Die Autoren, die sich im Bereich der Fantasy tummelten, werden ausgelassen. Neben LeGuin und Heinlein fehlen mir persönlich Clifford D. Simak und Lyon Sprague de Camp - ansonsten hat Platt wirklich alle maßgebenden Verfasser des entsprechenden Zeitraums getroffen und mit ihnen gesprochen.
Inzwischen sind leider viele Werke und Autoren der damaligen Zeit in Vergessenheit geraten. Mag es sein, dass ihre Themen oder die jeweilige Erzählweise nicht mehr in unsere Zeit passen, dass sie sich nicht mehr so einfach vermarkten lassen. Selbst ein Philip K. Dick wäre wohl heute, würde es die filmischen Umsetzungen seiner Werke nicht geben, nicht mehr Vielen bekannt.
Vorliegender erster Band der Gespräche und Erinnerungen, die Platt immer durch eine aktuelle Einschätzung erweitert und relativiert hat, bietet uns damit eine höchst willkommene Gelegenheit, die literarischen Helden unserer Jugend einmal besser, persönlicher kennenzulernen, als dies sonst möglich wäre. Wenn der eine oder andere Rezipient dadurch angestiftet würde, einmal wieder zu einem Buch des jeweiligen Autors zu greifen, käme dies als Bonus zu der unterhaltsamen, erhellenden Lektüre obendrauf.