M. R. Carey: In die Verbannung - Die Legende von Koli 1 (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Freitag, 19. November 2021 12:00
M. R. Carey
In die Verbannung
Die Legende von Koli 1
(The Book of Koli, 2020)
Übersetzung: Manfred Sanders
Titelbild: Arndt Drechsler-Zakrzewski
Festa, 2021, Hardcover, 556 Seiten, 22,99 EUR (auch als eBook erhältlich)
Rezension von Carsten Kuhr
Willkommen in dem kleinen, abgelegen situierten Dorf Mythen Rood in Ingland, auch unter der Bezeichnung Briton oder Albion bekannt. Hier, umgeben von lebendigen Wäldern und semi-intelligenten Ratten, leben sie: Menschen, die sich mit ihrer lebensfeindlichen Umwelt arrangiert haben. Die mutierten Bäume, die ihre Opfer zerquetschen um an Dünger zu gelangen, die ihre Opfer strangulierenden Ranken und die sie verfolgenden Kannibalenstämme sind die Dorfbewohner inzwischen gewohnt. Man hat sich darauf eingestellt, hat noch Tech aus der guten alten Zeit - Jahrhunderte ist die her -, die nach wie vor funktioniert und Schutz bietet.
In dieser Umgebung wächst Koli heran. Seine Familie hat sich einen Namen im Sägewerk gemacht, lagert das gefällte, lebendige Holz erst einmal sicherheitshalber einige Zeit ab, bevor es verarbeitet wird.
Als Koli 15 Lenze alt wird, nimmt er, wie all seine Altersgenossen, den Namen Anwärter an und lebt bis zu seinem Test im Anwärterhaus. Einst waren sie in jedem Jahrgang jeweils ein Dutzend Jungen und Mädchen, jetzt sind nur drei Bewohner im Haus eingezogen. Sein bester Freund Haijon aus der Bollwerkfeste und ihre gemeinsame Freundin Wirbel. Der Test läuft ab, wie erwartet. Wirbel und Koli können die Tech nicht erwecken, Haijon aber gelingt es, wie all seinen Familienangehörigen vor ihm. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt…
Als Haijon Koli dann auch noch seine große Liebe Wirbel ausspannt, steht unser dunkelhäutiger Holzwerker von den Trümmern seiner Träume. Aus Wut und Rache entwendet er Tech - eine KI, wird von der herrschenden Familie als Gefahr für deren Herrschaft erkannt und folgerichtig verbannt.
Zusammen mit Ursula. einer wandernden Heilerin, beginnt der aufgeweckte Koli die Reise durch eine dystopische Welt voller Gefahren, voller Rätsel und voller Erinnerungen an einstige Hochzeiten…
Was ist das für ein Buch, der Auftakt einer Trilogie, den uns der Festa Verlag in seiner All-Age-Reihe vorlegt? Hochgelobt von der Kritik in Großbritannien wie in den USA erwartet uns eigentlich kein wirklicher Auftaktband, sondern mehr der erste Teil eines seines Umfangs wegen aufgesplitteten megadicken Romans.
Das Besondere offenbart sich dem Leser gleich zu Beginn. Es ist die Art und Weise, wie uns der Erzähler seine Geschichte nahe bringt. Stilistisch habe ich selten, eigentlich nie, eine derartig überzeugende Erzählweise angeboten bekommen.
Unser Ich-Erzähler beschreibt die Vorkommnisse sprachlich derart glaubwürdig, dass ich ihm die Erzählung sofort als Realität abnahm. Seine Ausdrucksweise, seine Beschreibungen wirken ungeheuer authentisch, in die beschriebene Welt eingebettet und entsprechen dem, was wir von einem jungen Mann erwarten können, dass wir die Realität spüren und uns die innere Überzeugungskraft des Textes förmlich anspringt.
Dazu kommt, dass wir seine innere Verletztheit, aber auch seine Neugier, sein Mitgefühl sehr gut nachvollziehen können. Das ist ein Protagonist, der nicht übermenschlich daherkommt, der traurig ist, sich fürchtet, verletzt wird und unsicher agiert. Aber auch jemand, der immer wieder den Mut findet, weiter voranzugehen. Empathisch ist er, dabei findet er in sich immer wieder die Kraft weiterzumachen, nach vorne zu schauen und Hoffnung zu hegen.
Da ist es gut, dass uns der Verlag die beiden weiteren Bände in kurzem Abstand vorlegen wird - will man Koli doch unbedingt in seiner Reise durch eine menschenfeindliche, dystopische Zukunft weiter begleiten.