Gesa Schwartz: Ophelia Nachtgesang: Die Dunkle Fee (Buch)

Gesa Schwartz
Ophelia Nachtgesang: Die Dunkle Fee
Titelbild: Alexandra Helm
Planet!, 2021, Hardcover, 364 Seiten, 15,00 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Die Familie Nachtgesang hat keinen guten Namen unter den Feen, oh nein, sie hat den allerbesten Namen. Ein Jeder dieser herausragenden dunklen Feen hat seine Ära geprägt, hat im Kampf gegen die verräterischen Menschen oder einen Renegaten das ultimative Opfer gebracht - er oder sie sind im Kampf für die Freiheit der Feen gestorben.

Nur der letzte Sprössling dieser altehrwürdigen Familie, Ophelia mit Namen, scheint ein wenig außer der Art geraten zu sein. Statt, wie dies Aufgabe der dunklen Feen ist, die Seelen jüngst Verstorbener mit ihrem Gesang in die Totenwelt zu geleiten, zeigt sie Mitleid mit den Seelen. Jüngst hat eine Verstorbene sie doch glatt soweit gebracht, dass sie nicht nur Abschied von ihrem alten Heim nehmen durfte, die kratzbürstige Alte suchte auch noch den verhassten Nachbarn aber auch so richtig heim. Kein Wunder, dass Ophelia einmal wieder vor den Schwarzen Zirkel geladen wird. Sie hat Angst, dass man sie, angesichts ihres Versagens, aus der Gemeinschaft verstoßen, ihr die Türen zur Bibliothek und damit zum Wissen verschließen wird. Einzig ihr Freund, der vorlaute, etwas dickliche Rabe Tiberius glaubt an sie.

Eine letzte Chance räumen ihr die mächtigsten der sechs Feen ein - sie soll einen alten Kauz, einen menschlichen Alchemisten und selbsternannten Zauberer, als Seelenführerin ins Totenreich geleiten. Eigentlich wirklich keine unlösbare Aufgabe, nur dass sich Augustus, wie der Alte heißt, als Filou erweist.

Kurzerhand stiehlt er Ophelia ihre Magie und macht sich auf, eine alte Rechnung einzutreiben. Begleitet und unterstützt von Ophelia und Tiberius suchen sie das Amulett der Nacht und dessen unrechtmäßigen Besitzer - eine Fee, die aus Rache und Geltungssucht die Welt in den finstersten Abgrund führen will…


Gesa Schwartz war eine der Top-Autorinnen bei Lyx. Ihre Mehrteiler verkauften sich wie frisch geschnitten Brot, überzeugten Fans, Leser wie Kritiker durch ihre eigene Anlage, die faszinierenden Figuren und die wunderbar beschriebenen Handlungsorte. Nachdem Lyx von Lübbe übernommen worden war, stellte man die Phantastik-Edition des Verlag kurzerhand ein, richtete das Programm auf ein rein weibliches Publikum im Hier und Jetzt aus.

Und plötzlich wurde es ein wenig ruhig um Gesa Schwartz, der man zurecht nachsagt, selbst Kochbücher so fesselnd schreiben zu können, dass sie sich wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln verkaufen würden. War die kurze, steile Karriere der Verfasserin gar schon vorbei?

Nein, beileibe nicht, wechselte die Autorin nur das Sub-Genre - statt phantastische Romane für ein erwachsenes Publikum wandte sie sich stattdessen einem jugendlichen Lesepublikum zu. Jugendromane erschienen gemischt mit Kinderbüchern, die erneut beredt Zeugnis davon ablegten, dass Gesa Schwartz wunderbar phantasievoll zu fabulieren weiß.

Nach einem Zwischenstopp bei cbj hat sie nun in Stuttgart bei Planet! eine neue verlegerische Heimat gefunden.

In vorliegender zweiten Veröffentlichung legt sie uns einen ebenso märchenhaften wie packenden Plot vor. Mehr noch, in die spannende Geschichte hat sie, wie dies bei ihr so üblich ist, unterschwellig viel mit einfließen lassen.

Unsere junge Protagonistin ist zunächst sehr unsicher. Sie ist anders als ihre Altersgenossen, anders auch, als ihre Lehrer und ihre Umwelt sie gerne hätten. Sie zweifelt an sich, möchte gerne dazu gehören, und weiß doch, dass sie anders tickt, als ihre Lehrer und ihre Umwelt es von ihr wünschen und erwarten. Hier nimmt die Autorin geschickt den Ball von alltäglichem Schulmobbing, dem Drang dazu gehören zu wollen, der allgemeinen Uniformität auf und transferiert dies auf eine Fantasy-Ebene. Mehr noch, ihre Protagonistin muss lernen zu ihren Überzeugungen zu stehen, Selbstbewusstsein entwickeln und an sich selbst glauben. Das sind Entwicklungen, die jeder junge Mensch durchmachen muss, die schwierig und oftmals schmerzhaft sind, an denen immer noch viel zu viele tragisch scheitern. Scheitern auch, weil Umfeld, Schule und Verwandte die Augen vor den Sorgen und Nöten verschließen, nur nach Anpassung und Erfolg schielen, dabei aber die Entwicklung der individuellen Eigenheiten eines Kindes schlicht übersehen, wenn nicht gar vernachlässigen und unterdrücken.

Verpackt hat Schwartz dies in einen Roman, der uns in seine Handlung zieht. Die beschriebene Welt ist interessant, die Handlungsorte (Aberdeen, die Dunkelheit) mysteriös und atmosphärisch düster beschrieben, der Plot selbst spannend und temporeich aufgebaut. Dabei sind es insbesondere die Figuren, die den Leser faszinieren und ansprechen. Gerade weil unsere Erzählerin Fehler macht, weil sie schwach scheint aber nicht ist, sich entwickelt und letztlich zu sich selbst findet und dadurch obsiegt, folgt man ihr sehr gerne ins Abenteuer.

So ist dies, wie jede gute Jugendbuch, ein Roman, der uns unterhält, der Spannung vermittelt, der aber auch ein klein wenig eine Anleitung für die Heranwachsenden bereithält, sich zu sich selbst und ihrem eigenen Weg zu bekennen.