Jan Eldredge: Evangeline und die Geister des Bayou (Buch)

Jan Eldredge
Evangeline und die Geister des Bayou
(Evangeline of the Bayou, 2018)
Übersetzung: Inge Wehrmann
Titelbild: Isabelle Hirtz
Thienemann, 2021, Hardcover, 318 Seiten, 15,00 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Der Bayou, die Sumpflandschaft rund um das Mississippi-Delta, gehört zu den beeindruckendsten aber auch gefährlichsten Gegenden der südlichen USA. Hier, inmitten von beißenden Moskitowolken, hungrigen Alligatoren und der schwülen Hitze, wuchs Evangeline auf. Nachdem ihre Mutter bei der Geburt starb, zieht ihre Oma sie auf. Mehr noch, die alte Dame unterweist sie in der Familienkunst: Evangeline soll und will unbedingt Geisterjägerin werden.

Bald, immerhin ist sie schon 12 Jahre alt, wird es soweit sein. Ihre Gaben werden sich manifestieren, ihr Seelengefährte, hoffentlich ein Falke, wird ihr seinen Kopf auf die Füße legen und damit ein lebenslanges Band knüpfen.

Einen neuen Auftrag gibt es auch. Zusammen mit ihrer Großmutter macht Evangeline sich auf den Weg nach New Orleans, der Stadt des Jazz, der Stadt des Karnevals. Hier, in einem wunderbaren Südstaatenhaus, lebt eine begüterte Familie, in der Verzweiflung herrscht. Die Hausherrin und Mutter ist schwer erkrankt. Kein Arzt kann ihr helfen, jetzt suchen der verzweifelte Hausherr und sein etwas merkwürdiger Sohnemann Hilfe bei der Geisterjägerin.

Und wirklich erkennen unsere Beiden schnell, dass etwas Sonderbares im Haus vorgeht. Alle Hinweise deuten auf einen Werwolfbiss - doch dann wird es persönlich, gibt es doch eine direkte Verbindung zu Evangelines ermordeter Mutter. Als ihre Granny sich das Bein bricht, bleibt nur die junge Gehilfin übrig, die Mysterien aufzuklären und den Kampf aufzunehmen.


Der Verlag offeriert uns das Buch ab einem Lesealter von 10 Jahren. Nun sind Kinder heutzutage, auch dank des medialen Angebots, abgebrühter als früher; gruselig geht es aber doch zu. Da wird nichts ausgeblendet, da wird die Gewalt durchaus gezeigt (auch wenngleich diese nie im Zentrum steht, sondern immer logischer Bestandteil der Handlung ist).

Mit Evangeline hat der Autor, der selbst aus Big Easy stammt, wie man New Orleans auch nennt stammt, eine ideale Identifikationsfigur geschaffen. Sie ist ein klein wenig dickköpfig, man könnte getrost auch stur sagen, dabei aber liebenswert, mutig und aufgeweckt. Gerne und problemlos schlüpft man als Leser in ihre Haut. Dass sie sich in den Sümpfen auskennt, nutzt Eldredge geschickt um uns diese vorzustellen und die Artenvielfalt und den besonderen Flair zu kredenzen. Als es dann in die große Stadt geht, ist dies für Evangeline wie den Leser ein neuer Eindruck. Auch wenn wir von New Orleans nichts wirklich gezeigt bekommen - der Autor konzentriert sich auf das malerische Herrenhaus -. schwingt der besondere Flair der Stadt im Hintergrund mit.

Der Verfasser punktet hier mit seinen Figuren. Neben Evangeline ist dies besonders der gleichaltrige Julian, ein komischer Kauz, fast schon autistisch zu nennen, aber eben auch eine Figur, die anders ist, die Mut beweist und somit für die jugendlichen Rezipienten interessant daherkommt.

Der Plot selbst ist spannend aufgebaut, die Grusel-Szenen sind überzeugend eingebettet und die Handlung läuft flüssig und gut zu lesen ab.

So bleibt ein rundweg positiver Eindruck, zumal der Autor der Hauptfigur in „Witch Girl“ noch einen weiteren Auftritt verschafft hat, der vielleicht auch seinen Weg in deutsche Lesestuben finden wird.