Arkham Horror 1: Das letzte Ritual, S. A. Sidor (Buch)
- Details
- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 12. September 2021 11:12
Arkham Horror 1
Das letzte Ritual
S. A. Sidor
(Arkham Horror: The Last Ritual, 2020)
Übersetzung: Bernd Perplies
Titelbild: John Coulthart
Cross Cult, 2021, Paperback, 380 Seiten, 15,00 EUR (auch als eBook erhältlich)
Rezension von Carsten Kuhr
Arkham, das kleine Küstenstädtchen im Nordosten der USA, hat seit jeher einen etwas ambivalenten Ruf. Die Stadt wird von eine paar wenigen, alteingesessenen Familien de facto regiert, Menschen verschwinden, es gibt weit mehr ungeklärte Todesfälle als die Statistik für eine derartige Stadt eigentlich vorgibt. Gleichzeitig aber blühen hier die Wissenschaften und die Kunst. Die örtliche Universität hat einen guten Ruf, insbesondere die Sammlung seltener, okkulter Manuskripte ist weltweit berühmt und geschätzt, Mäzene fördern die jungen Künstler.
Erst kürzlich haben zwei der angesehensten und reichsten Männer der Stadt ein altes, baufälliges Anwesen renoviert und die Ateliers Künstlern jeglicher Couleur im Rahmen von Stipendien zur Verfügung gestellt.
Alden Oakes, Kind einer der begüterten Familien der Stadt und aufstrebender bildender Künstler, hat ein solches Stipendium eigentlich nicht nötig. Wir lernen ihn kennen, als er in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts, auf Papas Geldbeutel gestützt, Europa erkundet und seine Fertigkeiten mit Stift und Pinsel auszuweiten sucht.
In der Nähe von Barcelona kommt er dabei zu einem merkwürdigen Opferfest, bei dem er glaubt, sein künstlerische Idol, den Surrealisten Juan Hugo Balthazarr, zu sehen - ein rauschähnlicher Zustand lässt seine Erinnerungen an die Nacht verschwimmen.
Nach Arkham zurückgekehrt, trifft er auf eine faszinierende Frau. Die angehende Autorin forscht an den mysteriösen Todesfällen der Stadt. Alden schließt sich ihr an, zieht in die Künstlerkommune ein und begegnet dem Unerklärlichen. Tonfiguren werden lebendig, Menschen sterben oder verschwinden spurlos, Seilhaufen verfolgen ihn - alles nur Einbildung, ein Rausch verbotener Alkoholika - oder mehr?
Als der in der Stadt weilende Balthazarr ein Ritual zelebriert, öffnet sich ein Tor, das besser für immer verschlossen geblieben wäre…
Das Brettspiel „Arkham Horror“ hat die Stadt aus Lovecrafts Kosmos auf die internationale Spielbühne gehievt. Das Game ist so erfolgreich, dass die Macher auf die Idee kamen, Romane in der Welt des Spiels zu publizieren.
Als erster Band erscheint vorliegender Roman von dem bei uns bislang noch weitgehend unbekannten S. A. Sidor, dessen Werk sich weitgehend der dunklen Phantastik zurechnen lässt. Insofern sicherlich eine gute Wahl für das vorliegende Buch. Glücklicherweise vermeidet es der Autor, den Altmeister blind kopieren zu wollen. Viele Verfasser sind schon daran gescheitert, etwas zu Lovecraft Vergleichbares schreiben zu wollen - Sidor wandelt dagegen auf eigenen Pfaden. Geschickt nutzt er die Zeit der Handlung - 1925 - um uns in Flüsterkneipen der Prohibition zu entführen, uns die künstlerische Bohème zu präsentieren, Houdini auftreten zu lassen - aber auch die Schattenseiten, die Armut und Not der ungelernten Arbeiter, in seinen Plot mit einfließen zu lassen.
Doch seien wir einmal ehrlich: ein verwöhnter Dandy, der die Côte d’Azur besucht, ein weit gereister Mann mit Verbindungen und des Savoir-vivre, eignet sich weit mehr als interessanter Erzähler als ein einfacher Arbeiter. Durch die Augen unsere Protagonisten erhaschen wir einen intimen Einblick in die Welt der Schönen und Reichen, bevor er sich auf die Aufklärung der Mysterien macht.
Hier nimmt er ab und an eine Abzweigung zu viel, soll heißen, er verzettelt sich ein klein wenig. Dennoch nehmen die Handlungsorte vor dem inneren Auge Gestalt an, verfolgen wir interessiert die Suche nach einer Erklärung für die Vorkommnisse. Das Übernatürliche wird zumeist eher angedeutet, wird nie plakativ ins Zentrum gerückt. Das Finale bleibt dann passend offen.
„Das letzte Ritual“ ist ein gelungener Auftakt; keine große Literatur, aber angenehm gruselnd und spannend zu lesen.